Ziegen, die über Schafe meckern

@afrog · 2019-09-25 15:17 · deutsch

schaf-und-ziege.jpg Bild mit Dank an Zahaoha.

Unzufriedene Bürger schimpfen seit Jahren gerne „Schiebung“. Sie dichten, getrieben kreativ, despektierliche Begriffe für Rundfunk, Medien im Speziellen und unser politisches System im Allgemeinen. Wer nicht mit ihnen im Chor meckert, den nennen sie Schaf. Jetzt kommt bei ihnen die FFF–Bewegung auf den Schirm, was sie unter gewohnter, verbaler Routine so locker niedermachen, wie jeden anderen Versuch ihre Ruhe zu stören. Sie kommen gar nicht auf die Idee, dass mit dem Erscheinen von FFF ein Impuls gegeben ist, der selbst den zähesten politischen Ärgernissen endlich Vernunft einhauchen könnte.

Während die Wirtschaft routiniert Zähne und Klauen gegen jede Veränderung einsetzt, sehen sich Politiker vom Wähler nur getrieben. Wie in einem Spiel regieren sie möglichst moderat in wirtschaftliche Belange hinein, wogegen die Wirtschaft ihrerseits Legionen von Beratern und Lobbyisten aufgestellt hat. Das sind vom Bürger selbst ausgebildete Fachleute, die in seinen eigenen, demokratischen Universitäten gelernt haben, Menschen zu manipulieren. Bezahlt werden die aus Gewinnen des zügellosen Konsums, weil jeder der fein bezwirnten Industriebotschafter in jedem Produkt mit eingepreist ist. Ihre Arbeit läuft immer auf das Gleiche raus: Der Konsument zahlt die Zeche.

Viele der Betroffenen wenden sich daher beleidigt vom Staate ab, anstatt für ihre verfassungsmäßigen Rechte zu kämpfen. Zusätzlich zur geistigen, wirtschaftlichen und nicht zuletzt politischen Notlage der Bürger, beschädigen sie sich damit selbst. Freiheitsfreunde, wahlweise Anarchisten oder Volksfreunde vergessen nämlich, dass per Definition, rein formal, der Staat noch immer ihnen selbst gehört. Für dessen demokratische Instanzen sind aber die wenigsten bereit, aktiv einzutreten. Sich persönlich von offensichtlichen Problem zu distanzieren, ist so ziemlich die albernste Form von Protest. Das beleidigte Abwenden, unter heftigem Meckern im Abgang, stört nämlich niemanden.

Dass seit Dekaden Parteien, Wirtschaft und Kirchenpolitik unwidersprochen um sich greifen und eigenwillig demokratische Bedingungen modifizieren dürfen, ist alleine der jahrzehntelangen, politischen Zurückhaltung des Souveräns selbst geschuldet. Der lässt sich sogar gefallen, dass in seiner konstitutionell säkularen Demokratie Kirchen noch immer Privillegien genießen, die ihnen nicht einmal nach schwerstem, klandestinem Missbrauch entzogen werden. Der gleiche, schleichende Vorgang bürgerlicher Selbstentmündigung erfolgt angesichts unseliger Allianzen von Wirtschaft und Politik. Alleine das Ablehnen aller öffentlicher Medien zeigt, wie tief Bürger fallen können. Ein großer Teil des Souveräns hat sich, völlig ohne Not, zum albernen Clown entmündigt.

Demokratie kann eben nicht bequem an Politiker delegiert werden, während der Auftraggeber selbstvergessen in zügellosem Konsum schwelgt. Politiker sind von dem Menschenschlag, der das Konkurrenzprinzip mit der Muttermilch aufgesogen hat. Sie wurden in bitterem Wettbewerb getrieben und auf langem Weg durch eine Partei weitergereicht. Wie wir in den quälend langen Jahren dieser Republik erfahren durften, lernen gerade solche Menschen nur, wie man dem Stärkeren dient ohne vom Schwächeren abgewählt zu werden. Unter solchen Bedingungen nähren wir den natürlichen Feind unserer Ressourcen. Die Aufklärung braucht deshalb ihren nächsten Kick, den nächsten Entwicklungssprung. Sonst tritt unsere Gesellschaft auch in den kommenden Jahrzehnten bestenfalls auf der Stelle. Faktisch geht es im ungezügelten Kapitalismus um die Ausplünderung der Bürger selbst, also um Verhältnisse, die der Souverän ganz sicher nicht legitimieren wollte.

welt-mit-bier.jpg Bild mit Dank an Fyrtaarn.

Angesichts all der üblen Vorzeichen des gesellschaftlichen Niedergangs kann man der FFF–Bewegung gar nicht genug Bedeutung beimessen. Hippies hatten FFF einst als Kürzel für Fuck For Freedom erdacht, unzählig Kinder in die Welt gesetzt und auf die Entwicklung einer lustvollen Parallelkultur gesetzt. Nicht ganz zufällig reklamieren die Kinder dieser Kinder nun den Friday For Future. Denn laut ernst zu nehmenden Wissenschaftlern gefährden moderne Probleme die Existenz der gesamten Menschheit. Wer heute einen Bunker bewohnt, sieht sich für die Zukunft gut aufgestellt. Das macht zwar Kindern Angst, ist aber offenbar noch immer nicht Ungemach genug, um die ewigen Nörgler zum Handeln zu bewegen. Die wirken eher systemrelevant, denn lässt der Bauer seine Ziege meckern, wird sie kein Parkett bekleckern. Was meint: Wer meckert, wird ganz sicher keine Revolution anzetteln.

Ist man von physikalischen Kausalitäten nicht überzeugt, könnte man auch auf das Klimathema pfeifen und trotzdem mitmachen. Der verbleibende Rest im Paket unserer gemeinsamen Probleme hat, selbst ohne das Klima, Sprengkraft genug um gegen herrschende Verhältnisse aufzubegehren. Eiszeit, Zwischeneiszeit, Warmzeiten – niemand hat versprochen, das Klima bliebe immer gleich. Wir kennen den Wortlaut der standardisierten Argumentationslinien. Dass aber auf massive Änderungen der physikalischen Parameter jedes darin eingebettete System reagiert, ist kein Expertenwissen mehr. Das haben sogar die stursten Politiker seit dem Ozonloch kapiert. Ronald Reagan und Maggie Thatcher sei Dank, wurde das FCKW–Problem machtpolitisch überraschend zügig beseitigt, nachdem sie endlich kapiert hatten, was FCKW anrichtet. Sie haben der betonartig leugnenden Wirtschaft Verordnungen in das große Maul gestopft und ruhig wurde es um das Ozonloch obwohl die Hofnörgler der Industrie kräftig weiter gemeckert haben.

Sonnensturm hin, Magnetfeld her, viele existenzbedrohende Plagen werden vom Menschen selbst verursacht. Gegen die tödlichen Symptome der allgegenwärtigen Gier, ist das Klima geradezu ein Sekundärproblem. Gesellschaftspolitisch raffiniert ist am Klima aber nun, dass die Ursachen seiner Anomalie nur noch schwerlich von den Verursachern geleugnet werden können. Sie sind eng mit den wichtigsten Parametern unseres täglichen Lebens verbunden und das verleiht dem Thema seine erhöhte Sprengkraft. Weil nun nahezu jeder von uns zu einem Teil des Problems geworden ist.

Doch die Wirtschaft will nicht zulassen, dass Konsumenten sich schuldbehaftet fühlen. Unter solchen Vorzeichen konsumiert keiner völlig ungezwungen. Mit Wasserstoff, oder wenigstens mit preiswerten LiFePO4–Akkumulatoren (Danke für den erhellenden Hinweis, lieber @jaki01) wollen sie uns auch nicht fahren lassen. Die Industrie lässt lieber seltene Erden für teure Batterien kratzen. Mit knappen Ressourcen ist erfahrungsgemäß mehr Profit zu generieren, als mit alltäglichen, weit verbreiteten Stoffen.

Die mächtige Mineralölindustrie mit cleverer Technik zu marginalisieren, das traut sich schon gar niemand. Geht es an die Geschäftsmodelle systemrelevanter Profiteure, ist Schluss mit Demokratie und jede, als notwendig erkannte Maßnahme wird raffiniert auf die lange Bank getrickst. Bis in unabsehbare Zukunft hinein, soll der Raubbau an Bürger und Ressource weiter gehen. Jeder hätte sich gerne davor gedrückt, aber unter den gegebenen Umständen wird Revolution tatsächlich zur Option. Gut vorbereitet natürlich, unblutig und hochgradig intelligent, sollte die Macht im Staat neu justiert werden. Das Diktat der Profiteure hat sich so sehr überlebt, wie das der pöbelnden Gosse. Wir wissen mittlerweile, wie beides zusammen hängt. Dass solche Systeme sich letztendlich im Wahnsinn manifestieren, erkennt man deutlich an ihren menschen- und naturverachtenden Begleiterscheinungen, die nicht ansatzweise einem vernunftbegabten Wesen entspringen können.

Wozu ziehen wir all die Wissenschaftler heran? Sicher nicht dafür, dass die Wirtschaft fröhliche Urstände feiert und Reiche immer reicher werden. Das war nicht die Intension, als im Zuge lebendiger Aufklärung Schulen und Universitäten gebaut wurden. Profit, liebe vergrätzte Bürgerschaft, beginnt leider beim Konsumenten und nicht etwa beim Anbietenden. Womit jeder von uns an der eigenen Nase angekommen ist. Die FFF-Bewegung ist keine rein klimatechnische Veranstaltung. Es geht um systemrelevante Prinzipien und das, was viele dafür halten. Die Gesellschaftsordnung, die Doktrin von Vollbeschäftigung, Freiheit, Religion, Wachstum, Verteilung von Ressourcen, alles gehört auf den Prüfstand einer Gesellschaft, die um ihr Überleben bangt.

fff.jpg Bild mit Dank von C.Suthorn.

Es sind unsere Enkel und Kinder, die unter den herrschenden Bedingungen nicht weiter parieren wollen. Darin kann doch selbst jeder notorisch passive Nörgler einen besonderen Moment der Geschichte erkennen. Eine derart weltweite, soziale Bewegung sollte wohlwollend als Chance verstanden werden. Statt dessen wird selbst so eine hoffnungsspendende Bewegung von den üblichen, schlecht gelaunten Verdächtigen zerredet. Dabei macht jede Klage über Symptome so wenig Sinn, wie ein bequemes „Weiter so!“. Bürgerliches Selbstbewusstsein und Wahrhaftigkeit sind gefordert. Das ohnmächtige Gemecker, ohne selbst Konstruktives zu liefern, ist ein Armutszeugnis und vermutlich fühlen sich diese Leute einfach nur in ihrer bürgerlichen Wohlfühlzone gestört. Das wirkt so jämmerlich und es auch nur mit ansehen zu müssen, ist ganz schwer zu ertragen.

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