Alu´s freies Schuljahr/ bestes Jahr meiner Kindheit.

@alucian · 2019-02-16 19:29 · deutsch

Hallo liebe Leser,

heute Abend gibt es eine kleine Geschichte zu meiner freien Zeit als Kind. Ein Traum den viele Kinder wohl haben, wäre nicht in die Schule gehen zu müssen. Mir ist genau das passiert. Durch den "Zufall" wie man so schön sagt. Ein bisschen auch, weil ich mich geweigert habe. :-)

Wie kommt man also zu einem dreiviertel Jahr ohne Schule? Zuerst muss man umziehen mit seiner Familie, am besten auf das Land. Den dort ist der Schulweg öfter mal sehr weit und einem Kind abzuverlangen, ca. 9 Km jeden morgen über Berg und Tal zu laufen, wäre wohl ein bisschen viel.

Nun, es war leider nicht ganz so einfach. Meine Eltern hatten nach unserem Umzug aufs Land, ein Haus gekauft und mussten es erst bewohnbar renovieren. In den ersten Monaten wohnten wir also in der Nähe dieses Hauses und der dazugehörigen Schule ein Dorf weiter. Dadurch konnte ich diese Schule besuchen und mich darüber freuen, das ich mich wie oft für Kinder üblich, sehr schnell integriert gefühlt habe.

Wie das so ist bei jungen Eltern und wenig Geld, mussten wir aber in ein billigeres Häuschen umziehen. Der Umbau des eigenen Hauses hat viel Zeit und Geld in Anspruch genommen. Das war mein großes Glück. Es gab zwar auch eine Schule in der Nähe des neuen Wohnortes, aber ich wollte nicht da hin gehen. So wusste ich doch, das meine alte neue Klasse auf mich gewartet hat. Also habe ich das mitgeteilt. Einmal die Schule zu wechseln, war für mich anfangs schon ein Graus und zu wissen, dass ich diese Schule nur kurz besuchen würde, nur um dann wieder in die eben gewechselte zu gehen, war noch schlimmer.

Mein kleiner Bruder hatte nicht so viel Glück, ihn hat man aufgrund seiner Lernschwäche dort hin beordert und schon nach kurzer Zeit und seinen Berichten, wusste ich, dass ich mich zu Recht gewehrt hatte. Mein Hauptargument war, das ich sowieso das Ziel hatte, eine Klasse zu überspringen und meine Noten waren wohl nicht schlecht genug, das ich eben ernst genommen wurde. Meinem kleinem Bruder ging es zu der Zeit nicht so gut. Während ich in unserem großem Garten Baumhäuser gebaut hatte und festgestellt, was das Wort "verlieben" bedeutet, musste er sich als sowieso ausgegrenzter Junge behaupten.

Er kam oft mit Tränen zurück und das hat mir schon sehr Leid getan. Ich habe damals wohl sehr viel Empathie gelernt und mich auch Schuldig gefühlt. Auch ich fand es unfair, dass ich nur wegen meiner besseren Noten bevorzugt wurde. Er hätte diese Zeit auf jeden Fall mehr gebraucht. Mit meinen Eltern darüber zu reden, hat nichts gebracht. Heute verstehe ich, das sie sowieso schon überfordert waren, alles zu organisieren. Damals habe ich das nicht gesehen.

Was habe ich also gemacht den ganzen Tag so halb alleine? Eben was man so macht wenn man als kleiner Junge, die Freiheit des Landlebens genießen darf. Ich war fast jeden Tag im Wald oder zumindest auf der Wiese oder im Garten und habe gespielt. Meine erste Seifenkiste war mein ganzer Stolz.

Im Wald gab es viel zu entdecken, vor allem die von mir verschmähten Pilzgründe wurden regelrecht erforscht. Tiere jeder heimischen Art, waren schwer zu finden und zu beobachten, weil sie sehr scheu waren. Eine Begegnung mit einer Wildsaumama und ihren Kindern, werde ich wohl nie vergessen. Da habe ich gelernt, Respekt vor den Tieren zu bekommen. So ein Schwein kann ganz schön böse werden. Es hat mich aber zum Glück verschont. Vielleicht hat sie gemerkt, das ich genauso viel Angst vor ihr hatte, wie sie vor mir.

Ich habe sehr viele Tiere mit nach Hause gebracht, um sie zu "retten". Dabei waren kleine Baby-Maulwürfe meine liebsten Rettungsopfer. Eine gehbehinderte Gans, habe ich vor dem Schlachten bewahrt, in dem ich sie von der Mutter meines besten Freundes geschenkt bekommen habe. Leider wurde sie von unserer Hündin gerissen, weil ich den Zaun nicht hoch genug gebaut habe.

Meine Nachbarin war ein Jahr älter als ich und für mich die erste große Liebe. Sie wurde von ihrem Vater gehütet, wie ein Ei und wir mussten uns oft "heimlich" treffen. Wir sind zusammen spazieren gegangen und haben gelacht und uns unterhalten. Natürlich wusste ich, das sie vieeel zu alt für mich war. So eine liebe kann schwer sein als Kind. Ohne die ganze freie Zeit, hätte ich sie nicht so intensiv kennen lernen dürfen und irgendwie habe ich alles was danach kam, an ihr gemessen.

Natürlich hat es auch Nachteile, den ganzen Tag daheim bleiben zu dürfen. Andererseits war ich sehr geschickt darin, diese in Vorteile umzuwandeln. Meinem Mama hat mich zum Beispiel jeden Tag zum Milch holen geschickt. Mal zum Nachbarsbauern, um beim Tagwerk zu helfen und auch sonst war sie darauf bedacht, mich "loszuwerden" um anständigere Sachen zu machen, als Zwillen zu bauen und Fußball im Garten zu spielen.

Dabei habe ich das ganze kleine Dorf kennen gelernt und viele liebe Menschen, die gerne mit mir ihre Zeit und Wissen geteilt haben. Beim einen Bauern habe ich das Traktor fahren und Kühe melken gelernt und beim anderem, wie man mit Werkzeug und Maschinen umgeht. Wieder ein anderer Bauer hat mir beigebracht, wie man alte mürrische bettlägrige Menschen pflegt und Geld nicht alles ist, was man im Leben braucht.

Hinter unserem Haus, hat eine reiche "moderne" Familie gewohnt. Deren Sohn war schon fast Erwachsen und ich als kleiner Furz, seine Nervensäge. Er hat mir "Rockstars und deren Kunst" gezeigt und mich an seinem Computer herumspielen lassen. Es gab sogar einen Anruf, das man mal rüber kommen solle, um sich den leider schon toten Maulwurf anzusehen. Sehr flauschig und weich, ist so ein Fell. Auch wenn er Tod war, war er der einzige ausgewachsene Maulwurf, den ich gestreichelt habe.

Natürlich habe ich durch die viele freie Zeit, auch fleißig beim renovieren unseres Hauses geholfen. Ohne diese Zeit, könnte ich heute nicht mauern ziehen, oder verputzen. Geschweige denn Wissen und Schätzen, was es so alles für ein Haus braucht.

Alles in allem, war es wohl das coolste Jahr meiner Kindheit, das ich mit keinem Tag der vergangen ist, bereue. Ich finde, jeder Junge und jedes Mädchen, sollte ein Jahr freie Zeit in Ihrer jungen Karriere haben dürfen. Aussuchen sollten das vielleicht doch die Eltern und Lehrer. Je nach Entwicklungsstand, früher oder später. Geschadet hat es mir nicht und ich habe schnell wieder in den Schulalltag hinein gefunden.

Das ich danach etwas rebellischer war und auch mal eigentlich nicht ganz so dumme Fragen gestellt habe, laste ich der Starrheit unseres Schulsystems an. Selbst offensichtliche Fehler zu benennen, wurde mindestens mit Schweigen bestraft. Das darf man Kinder nicht antun.

Wenn Kinder Recht haben und Fehler entdecken, muss man sie belohnen und fördern darin, weitere zu finden. So habe ich schließlich auch von den Menschen im Dorf gelernt zu handeln. Fragen stellen, etwas gezeigt bekommen und dann machen. Wenn einem etwas aufgefallen ist, das der Ältere nicht sieht, wurde ich gelobt dafür und die Sache wurde geändert. So geht Erziehung, meiner Meinung nach.

Ich hoffe ihr werdet nicht neidisch wenn ihr das lest. Jeder hat so seine Highlights im Leben. Das war eines meiner größten.

Liebe Grüße Euer Alucian.

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