Hey ihr lieben Steemians.
Heute bin ich auf dem Weg nach Eschwege, dort findet immer am ersten Novemberwochenende die größte Bären & Puppenmesse Europas statt. Früher habe ich dort ausgestellt als Künstlerin, heute besuche ich dort Kollegen und Kunden als Designer.
Es macht mich unglaublich stolz, zu sehen wie viele der Ausstellerinnen ihre Rollup-Banner, Visitenkarten und Urkunden von mir haben. Ein wirklich großartiges Gefühl und ich weiss, es wird noch mehr werden. Voll geil wär, wenn eines Tages fast die ganze Puppen-Halle von mir entwickelt worden wäre.
Im Moment kämpfe ich (oh wunder, ja mal was ganz Neues -.-) mit mir selber und meiner Vergangenheit.
Mit 24 Jahren hab ich die Entscheidung für mich getroffen, meine Ausbildung abzubrechen und bis heute habe ich diesen Schritt nie bereut. Natürlich bin ich mir bewusst, dass mir dieser Entschluss das Leben in der Gesellschaft nicht einfacher macht, aber dass war die erste Entscheidung nur für mich. An dem Tag habe ich aufgehört Dinge zu tun, nur um anderen zu gefallen. Ich fing an, für mich einzustehen.
Die Ausbildung war eine traumatische Erfahrung. Ich geriet an eine Grenze, körperlich und psychisch, die meine Existenz gefährdete. An Ende der insgesamt 4 Jahre begann mein Herz seine korrekte Funktionsweise einzustellen und es wurde klar, dass ich so nicht weiter machen kann.
Dieses Gefühl, weder kompatibel noch wirksam zu sein, hat sich seit meiner Geburt tief in meine Seele gegraben. Es fällt mir schwer, zu beschreiben wie sich das anfühlt und in irgend einer Form, kennt das sicher jeder Mensch.
Wenn wir uns überlegen, wann wir Menschen selbstbewusst, sicher und glücklich sind, stellen wir fest, es hat immer etwas mit Wirksamkeit zu tun. Wir wollen gesehen werden, etwas bewirken mit unseren Handlungen. Dieses Bedürfnis ist existenziell für unsere psychische Gesundheit. Ich erlebte mich nie als wirksam. Egal was ich tat, wie viel ich gab, es war nie gut genug und ich fühlte mich immer ungesehen. Heute weiss ich, dass diese Wahrnehmung sehr viel mit mir zu tun hat, mit dem, was ich an Charakter mit auf diese Welt brachte. In der Ausbildung fand dieses Gefühl seinen absoluten Höhepunkt. Mehrmals in diesen Jahren ging es mir so schlecht, dass ich gar nicht mehr aus dem Bett aufstehen wollte, geschweige denn das Haus verlassen. Allein die Vorstellung, auch nur irgendetwas leisten zu müssen, ließ mich verzweifeln. Ewas tief in mir, lag in Scherben auf dem Boden und fügte sich nicht wieder zusammen.
Nachdem ich geflohen bin, mich zurück gezogen habe in einen sicheren Raum, konnte ich wieder Atmen. Einige Jahre war ich nur damit beschäftigt. Ich war so erschöpft, dass mehr als ein absolutes Minimum an Arbeit nicht drin war, nach 4 Stunden Kinderbetreuung kam ich nach Hause und legte mich 3 Stunden ins Bett.
Damals schwor ich mir, nie, niemals wieder in solch eine Situation zu gehen. Mich nie wieder auf diese Art, abhängig zu machen.
Heute, viele Jahre später, bin ich dazu bereit. Ich möchte mich bewusst in diese Situation bringen. Einerseits ist es mir wichtig, mein Trauma aufzuarbeiten, andererseits möchte ich meine Wirksamkeit erfahren. Für mein Selbstbild ist es wichtig zu wissen, wo ich heute stehe.
Doch das ist echt hart.
Mein Verstand ist klar dabei. Aber mein inneres Kind...alter Falter. Ich werde mit Gefühlen und Ängsten konfrontiert die praktisch keinen Bezug zur Realität haben. Noch bevor ich mich überhaupt irgendwo bewerben konnte, kroch nackte Panik meinen Rücken hoch, breitete sich aus und infiltrierte mein Grundgefühl. Ehe ich Amen sagen konnte, war es wieder da. Die Angst, das tiefe Wissen, dass mich sowieso niemand braucht, dass ich zu nichts nütze bin, sozial total inkompetent und wertlos. Wenn ich nach möglichen Jobs suche, denke ich bei praktisch jedem, dazu bin ich sowieso nicht in der Lage. Es ist krass, wie tief diese Gedanken und die dazugehörigen Emotionen noch in mir vergraben sind. Sobald ich den Rasen der darüber gewachsen ist anhebe, brechen sie heraus und überfluten einfach alles.
Dieser Zustand hat nichts mit dem Hier und Jetzt zu tun, er ist meine Vergangenheit. Und doch, wenn ich es erlaube, übernimmt er die Macht und formt dass Heute. Ich lasse das nicht zu! Immer wieder, brechen diese alten Muster aus mir heraus und übernehmen die Kontrolle und jedes Mal, kämpfe ich dagegen an und sorge dafür, dass ich wieder atmen und denken kann. Es ist ein stetig wiederkehrendes Ritual im Moment. Obwohl es definitiv nicht einfach ist, bin ich dankbar für diese Möglichkeit, mich meinen Ängsten zu stellen und den Raum zu haben, zu wachsen. Ich fühle in solchen Momenten ganz stark die Impulse, Flucht oder Fressen. Und dann genauso bewusst zu sagen NEIN, ich bleibe stehen, stelle mich und halte aus. Ich bin in tiefer Dankbarkeit, für die Menschen die heute an meiner Seite stehen und für mich da sind. Ohne sie, weiss ich nicht, ob ich diese Kraft hätte, dem inneren Kampf standzuhalten.
Ich weiss, der Weg ist richtig und wichtig und muss gegangen werden, will ich frei und erfüllt leben. Es geht nicht so sehr um die Ausbildung oder darum, dass ich mich dem System anpasse, sondern um meine Wirksamkeit, meine Angst und meinen Erfolg.
Es ist jetzt gerade dran, mir selber zu beweisen, wo ich heute stehe und dass ich es kann.
Eines kann ich euch jetzt schon sagen, am Ende, fühlt es sich unglaublich gut und wichtig an, sich seiner größten Angst zu stellen!
Es macht frei und stark.
Ich wünsche euch ein erholsames Wochenende und Freiheit, in all euren Entscheidungen.
Liebe Grüße Euer Raffi
(Bildquelle Pixabay, CC0 Lizenz)