Täglich sehen wir Begrenzungen auf der Straße.
Sie gehören in unser Straßenbild.
Pfähle, Geländer, Pfosten, Gitter, Balustraden, Pflöcke, Brüstungen, Absperrungen, vermitteln der Promenade eine unterschiedliche Ausstrahlung.
Es gibt Pfosten, die sich sehr gut in die Umgebung einfügen.
Bei anderen Geländern fühlt man sich ganz eingeengt und eingesperrt.
Durch den Wirrwarr an Ketten und Posten muss man erst einmal einen Ausgang finden.
Für die Fußgänger sind diese Pflöcke am Gehweg ein Stück Sicherheit.
Abgesehen von energischen Radfahrern, E – Scooter – Nutzer und Skateboard – Piloten hat man einen gewissen Schutzraum auf dem Trottoir.
Ohne die Absperrungen wäre man auf Gedeih und Verderb den parkenden Autos ausgeliefert.
In diesem Punkt sind Begrenzungen gut und sinnvoll.
Übertragen wir diese Begrenzungen auf das Lernen, kann das schwierig für einen selbst werden.
Lernst du noch ?
Bei diesem Thema fällt mir die Schulzeit ein. Nach vielen Jahren in der Schule, nachdem wir die Maturaprüfung bestanden haben, dachten wir, wir hätten genug gelernt.
Einige Schüler verbrannten ihre Skripte, Mitschriften, Bücher, in einer erhabenen Zeremonie.
Das Ende des Lernens war gekommen.
Viele Mitschüler fühlten sich im gewünschten Paradies, bei dem es
keine Lehrer, keine Prüfungen, kein Auswendiglernen, keine Lernvorgaben,
mehr gibt.
Der Schriftsteller und Dramatiker Gerhart Hauptmann hätte uns in diesem überschwänglichen Zustand vielleicht leise zugerufen:
„Sobald man in einer Sache Meister geworden ist, soll man in einer neuen Sache Schüler werden.“
Die Realität klopfte jedoch nach einer Zeit des Beflügeltseins bei uns an.
Viele Schülern der Abschlussklasse fingen nach einer kurzen Ferienzeit ihre Ausbildung, ihren Freiwilligendienst oder ihr Studium an.
Die anfängliche Euphorie der ehemaligen Oberprimaner legte sich bald wieder.
Dozenten, Klausuren, Lerninhalte aufnehmen, auf den Abschluss vorbereiten,
begegneten einem in einem anderen Zusammenhang wieder.
Das Gefühl von Begrenzungen, Limitierungen, Einschränkungen,
beschlich die ehemaligen Schülern wieder.
Professor Crey, der als Lehrer in dem Film „Die Feuerzangenbowle“, auftritt, verkündet überzeugt:
„Mit der Schule ist es wie mit der Medizin, sie muss bitter schmecken, sonst nützt sie nichts.“
Aber warum kommen einem diese Gedanken, wenn man sich mit dem Lernen beschäftigt ?
Könnte das Lernen nicht auch
etwas Faszinierendes, eine Entdeckungsreise, ein Betreten von Terra incognita, einem unbekannten Land, eine spannende Reise durch einen Dschungel , das Grübeln über eine alles umfassende Formel, ein beeindruckender Laborversuch, die Suche nach dem Gral, eine ergreifende Expedition in unerforschte Welten,
sein ?
Umfassende Bildung
In der Universität hatten wir einen sehr guten Mathematikprofessor.
Sein Aussehen ähnelte dem von Albert Einstein. Das Auftreten und die Ausstrahlung des Dozenten war ebenfalls recht originell.
Trat er jedoch an das Rednerpult, wurde es still im Vorlesungssaal.
Jeder seiner Studenten hörte ihm gespannt zu.
Sein Fachgebiet war die Mathematik, welches er sehr liebte. Er verband diese Wissenschaftszweig auf erstaunliche Weise mit anderen Bereichen.
Er verwendete in seinen Ausführungen Beispiele aus der Geschichte, Physik, Geographie, Archäologie und vielen anderen Fachrichtungen.
Jeder konnte seinem Unterrichtsstoff gut folgen. Der Inhalt wurde von dem Professor sehr anschaulich vermittelt.
So machte das Lernen viel Spaß.
Leider gab es während des Studiums nicht viele Dozenten, die sich in unterschiedlichen Fachgebieten auskannten.
Auch im beruflichen Bereich trifft man oft Personen an, die sich nur in ihrem eigenen Bereich zurechtfinden.
Aber gerade der Blick über den Tellerrand hinaus, ist sehr wichtig.
Wenn die eigene Sichtweise nicht zu sehr verengt ist, verlaufen
Diskussionen, Debatten, Findungsprozesse,
für alle beteiligten Gruppen fruchtbarer ab.
Es gab in der Vergangenheit viele Wissenschaftler, welche sich unterschiedlichen Fachgebieten widmeten.
Sie zeichnete eine ungewöhnliche Offenheit unterschiedlicher Disziplinen aus.
Sie wurden oft als
Universalgelehrte, umfassend gebildete Personen, Generalisten, Universalgenies,
bezeichnet.
Michelangelo Buonaroti war Bildhauer, Baumeister, Dichter, Maler und sagte ohne Kompromisse:
„Ich lerne immer.“
Ein Aufhören mit dem Lernen war für ihn undenkbar.
Er befasste sich mit unterschiedlichen Stilen, Materialien, künstlerischen Richtungen. Das machte ihn so außergewöhnlich.
Leonardo da Vinci war auch einer dieser Universalgenies. Er war Mechaniker, Maler, Architekt, Bildhauer, Erfinder, Naturforscher, …
Für ihn ist das praktische Lernen wichtig:
„Wissen ist das Kind der Erfahrung.“
Der Dichter Johann Wolfgang von Goethe war Jurist. Er beschäftigte sich darüber hinaus mit Physik, Mineralogie, Botanik und vielen anderen Bereichen.
Um nur einige dieser Universalgelehrten zu nennen. Sie hatten einiges gemeinsam.
Sie entwickelten eine hohe Motivation, neue Dinge und Phänomene zu entdecken.
Sie waren oft völlig versunken in ihrer Forschung.
Sie lernten immer und überall.
Die Gelehrten wurden zu Experten durch ihre hohe Motivation, auf ihren Reisen, in Gesprächen mit anderen Personen, durch das Beobachten der Natur, mit einer guten Lernatmosphäre, durch intensives Beschäftigen mit einem Fachbereich, ...
Im Gegensatz zu früher ist das Wissen enorm gewachsen. Die einzelnen Disziplinen haben sich in ihren Inhalten und Spezialisierungen ebenfalls ausgeweitet.
Von daher ist ein lebenslanges Lernen sehr wichtig geworden.
Wenn wir die Begrenzungen, die andere uns setzen oder die wir uns selbst vorgeben, überwinden, so werden wir wieder Freude am Lernen haben.
Glücksgefühle, glänzende Augen, Freude, Faszination, Adrenalinschübe, …
entstehen, wenn wir neue Dinge erforschen können.
Schule als bittere Medizin muss nicht sein.
Das Lernen als Chance ansehen, kann uns weiterbringen.
Welche Erfahrungen habt ihr mit dem Lernen gemacht ?
Ich wünsche euch viel Freude beim Entdecken von neuen Dingen.
Viele Grüße.