Spaziergang mit einem Wolf

@grauerseehund · 2018-07-09 18:08 · busy

Wie schon in meinem Vorstellungspost angekündigt möchte ich ein wenig über meinen Spaziergang mit dem Timberwolf Amarok im Wolfscience Center Ernstbrunn erzählen.

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Der Wolf in Österreich

Im 19. Jahrhundert bevölkerten eine große Menge an Wölfen die nördliche Hemisphäre - sie waren in fast jedem Land Europas vertreten. Bis der Mensch ihren Lebensraum verkleinerte und sie bejagte, aus Angst, dass ihnen die Nutztiere zum Opfer fallen könnten.

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Von Italien, Slowenien und der Schweiz aus wanderten immer wieder vereinzelt Wölfe nach Österreich, jedoch verließen sie unser schönes Land auch bald wieder. Erst im Jahr 2006 gab es in Allensteig nicht nur eine Wolfsichtung, sondern zum ersten Mal seit langem Nachwuchs. Dies lag vorallem daran, dass die Tiere einen hohen Wildanteil und ungestörte Rückzugsorte brauchen. Beide Punkte sind in Allensteig gegeben. Mit den Wölfen kamen jedoch auch die Bedenken der unmittelbaren Anwohner und Bewohner Österreichs. Ein großes Problem, das viele in der Wolfsrückkehr sehen ist die Bedrohung ihrer Nutztiere bzw. die Angst vom Wolf angegriffen zu werden. In den Nachbarländern Österreichs gibt es bereits Methoden diese Ängste zu minimieren. Bessere Zäune, höhere Schadensabgeltungen und Finanzierungshilfen für Herdenschutzhunde wären nur einige davon. Es gibt zum Beispiel in Österreich derzeit keinen Züchter, der auf die Aufzucht dieser Rasse spezialisiert wäre. Der Wolf ist ein Tier, welches sehr anpassungsfähig ist, weshalb der natürliche Rückzug kaum unterstützt werden muss. Ist ein hoher Wildtierbestand gegeben und der Wolf vom Mensch geduldet, so lässt er sich gerne nieder. Trotzdem ist ein Konfliktmanagment notwendig, vorallem in den Bereichen in denen sich der Mensch beeinträchtigt fühlt. Wenn ich mit Bekannten spreche, dann höre ich zum Beispiel

"Ich möcht nicht plötzlich einem Wolf gegenüber stehen!"

Rotkäppchen und der böse Wolf - eine Begegnung

Aufgrund dieser Einstellung und Aussagen einiger Menschen, dass der Wolf böse und blutrünstig ist entsteht leider eine komplett falsche Stimmung im Land. Man mag es kaum glauben, aber es gibt die Möglichkeit einem Wolf zu begegnen ohne dass einer von beiden Parteien verängstigt oder verletzt entkommt. Wölfe sind zwar sehr neugierige Tiere, doch sie beobachten den Menschen lieber, als sich ihm zu stellen.

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Wolfsbegegnungen enden selten bis nie tödlich und wenn, dann hatte der Wolf meist Tollwut. An Tollwut sterben kann man aber auch, wenn einem eine kranke Maus oder ein Affe in Thailand beißt. Eigentlich ist der Wolf ein Fluchttier, wenn es um den Menschen geht. Die Angst mag berechtigt sein, was das Töten unserer Nutztiere betrifft, jedoch würde ein Wolf nie einen Menschen reißen. Es ist also ziemlich wahrscheinlich, dass wir während unserer Wanderung von diesen schönen Tieren beobachtet werden, ohne dass wir das jemals mitbekommen werden.

Wolfsciencecenter Ernstbrunn

Das Wolfscience Center Ernstbrunn forscht über die Bereitschaft von Wölfen und Hunden mit dem Menschen zusammenzuarbeiten und ihre geistigen Fähigkeiten. Es geht in erster Linie darum herauszufinden, weshalb der Hund mit dem Menschen kooperiert und welcher dieser Fähigkeiten im Wolf noch vorhanden sind. Wer sich mehr für die Forschung interessiert, der darf auf der Website der Organisation weiterlesen. Die Hunde und die Wölfe sind Handaufzuchten und werden in kleineren Rudel gehalten. Sie werden unter denselben Gesichtspunkten aufgezogen, die Fütterung und das Training findet bei beiden auf diesselbe Art und Weise statt. Das Spazieren gehen ist dabei eigentlich für den Wolf keine natürliche Sache – aber die Pfleger und Trainer in Ernstbrunn benötigen diese Mittel, um das Vertrauen des Wolfes zu erlangen. Dabei finde ich sehr spannend, dass die Tiere, obwohl sie mit der Hand aufgezogen wurden und den Menschengeruch von klein auf kennen, nicht unbedingt automatisch jedem Menschen vertrauen. Ich kenne das von vielen Hunden, die mit der Hand aufgezogen wurden ganz anders. Diese sind oft sehr zutraulich und fühlen sich beim Menschen automatisch wohl. Die Trainerin erzählte uns, dass manchmal eine kleine Sache reichen würde (zB.: der Wolf erschreckt sich beim Spaziergang vor einer Maus) und das Band des Vertrauens wäre für immer dahin. Die zerstörte Zuneigung muss oft mit jahrelanger Übung wieder erlangt werden. Wölfe sind sehr nachtragend.
Außerdem arbeiten die Pfleger mit Klickertraining. Das bedeutet, dass jedesmal wenn der Wolf (oder der Hund) ein Verhalten zeigt, dass gewollt ist ein Klicker ertönt und das Tier belohnt wird. Damit können sie Verhaltensweisen abrufen, ohne dass das Tier gestresst wird. Eine der Wölfinnen ist herzkrank und kann durch das Klickertraining stressfrei und ohne Narkose an das EKG angehängt werden.

Der Spaziergang

Anfänglich war ich in dem Glauben, dass der Spaziergang so ablaufen würde: Die Trainerin geht mit dem Wolf im Käfig auf und ab, während wir auf der anderen Seite des Zaunes mitgehen dürfen. Eventuell dann auch mal in den Käfig und das Tier aus der Nähe betrachten. Es kam ganz anders. Viel besser!

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Die Trainerin wählte einen weißen Timberwolf, namens Amarok, aus, da sie meinte dass er gerne an diesen Spaziergängen mitging und manchmal auch eine Freude daran hatte, wenn man ihn hinter dem Ohr kraulte. Zuerst ging die Trainerin in den Käfig und machte mit Amarok zwei Minuten lang Klickertraining, um ihn auf den Spaziergang einzustimmen. Dies ist wichtig, damit der Wolf weiß, dass was auch immer jetzt kommen mag er keine Angst zu haben braucht. Sie erklärte uns gleich zu Beginn, dass es sein konnte, dass der Wolf heute nicht raus will und dann wäre der Ausflug gleich vorbei. Man sah ihm jedoch an, dass er freudig aufgeregt war und hinauswollte. Sie nahm ihn dann an die Leine und gab uns noch ein paar Instruktionen. Wir durften nicht vor ihr gehen, sondern sollten hinter oder neben dem Wolf bleiben, damit er sich nicht erschrak. Zu Beginn mussten wir ihm die Faust hinstrecken, damit er jeden von uns beschnüffeln konnte. Sie erklärte uns noch, dass es sein kann dass er uns bespringt oder versuchen wird das Gesicht abzuschlecken. Wir sollten ihn gewähren lassen, auf keinen Fall das Gesicht wegdrehen, denn es war wichtig, dass das Tier keine Frustration erlebte. Wölfe beobachten sehr genau die Augen der Menschen, dreht man das Gesicht weg, so versteht der Wolf das manchmal als Provokation. Den Trainern war wichtig, dass die Tiere in ihrem Verhalten nicht beschnitten wurden und so gut wie möglich Wolf sein durften. Für mich war es anfangs seltsam, denn ich dachte, dass Amarok in der freien Wildbahn einen weiten Bogen um mich machen würde. Und jetzt stand er vor mir und schleckte meine Faust ab. Ein angelerntes Verhalten, um mir zu zeigen, dass ich keine Angst vor ihm zu haben brauchte und wiederrum eine Bestätigung für ihn, dass er sich nicht vor mir zu fürchten brauchte. Ich und ein Wolf nebeneinander. Sehr schräg.

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Als wir dann losgingen erzählte uns die Trainerin über die Forschungsstelle und beantwortete all meine tausend Fragen. Vorallem die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu den Hunden fand ich spannend. Der Hund war ein untergebener, treuer Begleiter, der gerne mit seinem Besitzer kooperierte und tat was man ihm beibrachte. Der Wolf lernt ebenfalls gerne, jedoch macht er nur solange mit, wie es ihm Spaß machte. Danach tut er was er will. Der Hund teilt im Rudel oft ungern das Fressen. Er frisst sich voll und die Anderen bekommen was übrig bleibt oder erkämpft wurde. Der Wolf, vorallem das Alphatier, lässt oft die anderen zuerst fressen, aber auf alle Fälle genug für alle übrig. Wir spazierten ca. eine Stunde lang mit Amarok und durften zum Abschluss uns in eine Wiese setzen, um ihm etwas näher zu kommen. Die Trainerin hatte Amarok davor an einer langen Laufleine und führte ihn hin und wieder mit dem Klicker, damit er nicht vom Weg abbog. Nun durfte er selbst entscheiden wo er hinwollte und das war in unsere Richtung. Er lief auf uns zu, schleckte unser Gesicht ab und lehnte sich dann mit dem vollen Gewicht an meinen Körper. Obwohl man diese Gesten vom Hund gewohnt war, war es doch ganz klar, dass hier ein Wildtier vor einem saß. Er ließ sich zwar einige Zeit hinter dem Ohr kraulen, sprang dann aber auf und zwickte einem Freund von mir in den Bart, klaute die Sonnenbrille einer Freundin und gab diese auch nicht zurück.

"Wie man den Wolf auch füttert, er wird trotzdem zum Wald hinschauen." (Sprichwort aus Russland)

Pate werden

Ich konnte dieses Erlebnis nur machen, weil mein Bruder die Trainerin kannte, sie von meiner Leidenschaft für Wildtiere erfuhr und ich Geburtstag hatte. Selbst hätte ich mir diesen Spaziergang wohl eher nie geleistet, dafür bin ich seit längerem Pate eines Wolfes. Falls jemand Interesse daran hat: Die Einnahmen durch die Spaziergänge fördern unter anderem die Forschung und die Reansiedelung der Wölfe. Man kann außerdem eine Patenschaft übernehmen oder einfach nur Spenden.

WWF Patenschaft/Spende Wolfscience Center Patenschaft

Falls ihr noch Fragen habt, immer her damit!

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