Wir schrieben den 6.November des Jahres 2017. Die Flucht war gelungen! Alles war noch in heller Aufruhr. Der Kopf klar, frei und wie betäubt zugleich. Dieser Zustand von Euphorie. Wir hatten es geschafft.
Der Sprung in die Freiheit
Ich erinnere mich noch wie heute an den Tag, als das Unheil sich das erste Mal präsentierte. Es war kein Weltuntergang, aber der erste Vorbote.... Von diesem Moment an wusste ich, es würde schiefgehen. Nicht, dass ich diese Gewissheit nicht schon länger in mir trage, ich konnte aber bis dahin noch geschickt die Augen davor verschließen.
Ich will es nicht so spannend machen. Es war im Juni 2012, der Tag der Abschlussfeier im Kindergarten. Es gab ein ganz tolles Ritual bei dem die Kinder über eine Bank liefen und durch einen Hula-Hoop-Reifen in die Freiheit sprangen. Die lieben Kinderchen wurden in die große Welt entlassen und durften endlich in die Schule wechseln.
Freiheit? Sie durften?
Mein schlauer Sohn erklärte mir schon Tage vorher, er werde da nicht mitmachen. Er gehe sowieso nicht in die Schule und durch den Reifen springe er auch nicht.
Ich wurde leicht panisch. Oh nein, schon wieder auffallen! Was mach ich bloß? Ich muss das Kind zur Vernunft bringen. Nur für die 10 Minuten in der er über diese bekloppte Bank laufen soll. Ich hatte einfach keinen Bock auf Gespräche mit hysterischen Erzieherinnen über das "besorgniserregende Verhalten" meines Sohnes.
Mit engelsgleichen Zungen flehte ich ihn an, doch mitzumachen! Es gäbe auch eine ganz tolle, mit Süßigkeiten gefüllte Schultüte!! Nix da, war ja klar. Bestechen lies der sich nicht. Was tun? Ok, ein bisschen strenger vielleicht. Oder? Das geht meistens nach hinten los. Besser nicht noch das Drama steigern.
Ich hoffte also auf die Einsicht des Kindes zum Zeitpunkt des Geschehens. Immerhin gab es ja noch viele andere die sprangen, es könnte ja sein, dass man da auch Lust bekommt!
Die Süße des Lebens!?
Es war natürlich nicht so. Das Drama nahm seinen Lauf. Alle Erzieher und sonstige Anwesende redeten wild auf das nun letzte übriggebliebene Kind ein, es möge doch jetzt auch wie die anderen in seine glamouröse Zukunft hüpfen um auf der anderen Seite mit der Süße des Lebens belohnt zu werden.
Mein Sohn rannte wütend unter Tränen auf mich zu und wir wurden zum Mittelpunkt des Geschehens. Zum Glück wurde eiligst zum Buffet gerufen um weitere Störungen des Programablaufes zu unterbinden.
Der Junge entspannte sich jetzt sichtlich und begann seinem normalen kindlichen Bedürfnis, nämlich dem nach Spielen, nachzugehen. Mit seinen Kumpels wurden nun wilde Jagden quer durch die Menge der ach so frohen künftigen Schulkindereltern veranstaltet.
Ich holte mir zur Beruhigung meiner strapazierten Nerven schleunigst 3 Stücke Kuchen und verkrümelte mich in eine Ecke. Ich war noch nie gut im Kindergarten-Smalltalk und war in diesem Moment sehr froh darüber, dass das mittlerweile auch schon alle wussten und ich meine Ruhe hatte.
Der traumlose Schlaf
Nach gefühlten 5 Stunden saß ich dann endlich alleine Zuhause am Küchentisch.
Das Kind schlummerte zufrieden in seinem Bett, überzeugt davon, dass es dem Schafott entgangen ist. Klar, es sprang ja nicht durch den Reifen....
Mir allerdings stand das Grauen ins Gesicht geschrieben. Wie um Gottes Willen sollte ich es schaffen, meinem Sohn klar zu machen, dass ihn sein Weg in nicht mal 4 Wochen durch die Pforten des allmächtigen Schulgebäudes führen würde?
Ich mochte nicht weiter darüber nachdenken. Es würde nicht gut enden, dass wusste ich. Verzweifelt legte ich mich in mein Bett und fiel in einen traumlosen Schlaf.
Der Alptraum, da war ich mir sicher, würde ja noch kommen!
Die Flucht – Teil 2 folgt in Kürze!
Fotos:
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