Zum Wohle der Konsumenten
Die Lüge, die Lebensmittelverschwendung erfolge zum Wohle der Konsumenten ist aufgeflogen. Fakt ist, eine bestimmte Menge Überschuss für die Tonne, wird bereits bei der Produktion der Lebensmittel mit einberechnet.
Angelehnt an eine Studie von WWF Deutschland (World Wide Found for Nature – eine der größten Naturschutzorganisationen der Welt) aus dem Jahr 2015, möchte ich hier über die Fakten der Lebensmittelverschwendung in Deutschland informieren.
Weil nicht genug da ist?
Die Weltbevölkerung liegt heute bei 7,59 Milliarden Menschen, wovon täglich ungefähr
1 Milliarde hungern. Wir produzieren aber Lebensmittel um ca. 12 Milliarden Hungrige zu ernähren!
Die Verluste weltweit belaufen sich auf ca. 30-40% der produzierte Lebensmittel. Pro Kopf sind das ca. 180 – 190 kg im Jahr.
Die Ursachen in den Ländern mit niedrigerem Einkommen sind eher die fehlende Infrastruktur, Erntebedingungen, Transport und Lagerung und liegen am Anfang der Wertschöpfungskette. In den reicheren Ländern der Erde liegt das Problem eher am Ende, häufig an festgelegten Normen und Standards. Die LM sind zu groß, zu klein, zu dick oder zu dünn. Größe und Ästhetik sind mit verantwortlich für das Ausmaß der Lebensmittelverschwendung.
Beängstigend ist die Vorstellung, dass für die Ernährung von Menschen verlorengegangene LM bereits angebaut, geerntet, transportiert, verarbeitet, gekühlt oder sogar schon zubereitet waren - um dann vielleicht als eine zu große Portion Beilage im Müll zu landen.
Die große Ressourcenverschwendung ist in Zukunft für die Menschheit und die Erde nicht mehr tragbar.
Verluste in Deutschland
Verluste pro Jahr in Tonnen
Weltweit | 1.3 Mrd. Tonnen |
---|---|
Europa | 100 Mio. Tonnen |
Deutschland | 18 Mio. Tonnen |
Über die gesamte Wertschöpfungskette, d.h. vom Ernteverlust bis zum Endverbraucher, gehen ca. 18 Mio. Tonnen LM verloren. Das ist fast 1/3 des Nahrungsmittelverbrauches in Deutschland (54,5 Mio.). Von der Ernte bis zum Kühlschrank wären davon über die Hälfte, ca. 10 Mio. Tonnen vermeidbar, die so im Müll landen. Verloren gehen dabei auch ein hoher Arbeitsaufwand und Ressourcenverbrauch.
Die größten vermeidbaren Verluste sind in Tonnagen [1] gemessen vor allem Brot und Backwaren mit 2 Mio., Obst und Gemüse mit je 1,5 Mio. und Kartoffeln und Milchprodukte mit je 1 Mio., die in unglaublichen Mengen verloren gehen.
Verluste in der Wertschöpfungskette (Circa-Werte)
LM-Verluste | Menge in t |Vermeidungspotenzial
---|---|---
Ernte | 1 Mio. | gering
Nachernte | 1.5 Mio. | gering
Weiterverarbeitung | 2.6 Mio. | 10%
Groß- u. Einzelhandel | 2.5 Mio. | bis 90%
Großverbraucher | 3.4 Mio. | 70%
Endverbraucher | 7,2 Mio. | 70%
Ernte
Ca. 5% aller Verluste sind hierauf zurückzuführen. Die erfassten Verluste im pflanzlichen Bereich liegen an der Zerstörung durch mechanische Prozesse bei der Ernte. Bei Tieren liegt der größte Teil an der Übergabe vom Züchter an den Abnehmer.
Die Frage ist, welche Verluste durch z.B. bessere oder andere Produktionsverfahren vermieden werden könnten.
Nachernte
Die während des Transportes oder der Lagerung entstehenden Einbußen die z.B. an Reinigung oder Schädlingsbefall liegen, sind bei Obst, Gemüse und Getreide am höchsten zu beziffern.
Weiterverarbeitung
In diesem Bereich sind die Mengen an Verlust höher. Prozessverlust sind die Abfälle der industriellen und häuslichen Verarbeitung. Sie entstehen durch Aussortierung des nicht geeigneten Materials für technische Prozesse und Wasch-, Schnitt- und Kochverluste.
Untersuchungen von Einzelfällen weisen darauf hin, dass bis zu 40% durch z.B. Handelsklassen und Überproduktion entstehen. Bis zu 10% des Verlustes könnten hier verringert werden.
Groß- und Einzelhandel
7% sind auf Marketingmaßnahmen und Konsumerwartung des Verbrauchers an Frische, Optik und Verfügbarkeit zurückzuführen.
Die Datenlage in diesem Bereich insbesondere im Großhandel ist allerdings sehr diffus und dadurch nicht genau zu beziffern. Die Ausrede der „gesundheitlichen Risiken“ kann man hier sicher weniger in Betracht ziehen.
Der Großteil dieser Verluste, sind vermeidbar da alle Produkte schon konsumfertig sind. Der Prozentsatz der LM die gerettet werde könnten, liegt hier bei 90%!
Mittel- und Großverbraucher
Hier gehen 15 – 25% der verbrauchsfertigen Waren verloren. Dies gilt vor allem für Fastfood-Betriebe und Kantinen, in denen bis zu 90% der LM die im Müll landen, nicht dort enden müssten.
In allen wissenschaftlichen Analysen ist eindeutig ersichtlich, dass hier von den 3.4 Mio. Tonnen, der überwiegende Teil vermeidbar wäre.
Die Verlustrate der Endverbraucher liegt mit 7.2 Mio. Tonnen am höchsten!
Auf dem jetzigen Wissensstand basierend, sind hier ca. 70% der Lebensmittel die nicht weggeschmissen werden müssten.
Anhand dieser Ausführungen fällt auf, dass je näher am Verbraucher, desto höher die Verluste und um so höher das Vermeidungspotenzial! Dies bestätigt die Aussage, dass in wirtschaftlich stärkeren Gebieten die Verteilungs- und Konsumverluste ausschlaggebend sind.
Die Auswirkungen auf die Umwelt
Alleine in Deutschland beträgt die umsonst ausgestoßene Menge an Treibhausgasen 48 Mio. Tonnen!
Bewirtschaftete Ackerflächen aus Überproduktion
Umgerechnet in den Flächenfußabdruck [2] ergibt sich für die 10 Mio. Tonnen an Lebensmittelüberproduktion eine Fläche von 2.6 Mio. Hektar die mit Agrarrohstoffen bebaut werden und am Ende in der Tonne landen
Dominierend sind hier die Erzeugung von Fleisch-, Milch- und Getreideprodukten. Durch den hohen Flächenverbrauch für die Erzeugung von Fleisch- und Wurstwaren, nehmen diese einen großen Teil der Gesamtfläche ein.
Die Auswirkungen auf das Klima sind erheblich.
Von der Düngung, dem Transport und der Kühlung bis zur Entsorgung der 10 Mio. Tonnen Lebensmittel, entstehen ca. 22 Mio. Tonnen Treibhausgas.
Dies entspricht ungefähr dem Doppelten des Klimaausstoßes der deutschen Abfallwirtschaft.
Durch die Reduzierung des Umbruches natürlicher Habitate würden bei 2.6 Mio. verringerter Nutzungsfläche noch einmal 26 Mio. Tonnen Kohlendioxyd-Ausstoß vermieden werden. Ebenfalls würden die heute im Ausland benötigten 6.8 Mio. Hektar auf 4.4 Mio. reduziert werden. Dies würde ebenfalls zur Verringerung der schädlichen Treibhausgase beitragen.
Fazit
Dieser Artikel kann das Ausmaß der Lebensmittelverschwendung anhand der von mir verwendeten, wenigen Fakten nicht im Ansatz dokumentieren.
Die Analysen haben gezeigt, dass die Verluste vor allem eine große Verschwendung unserer Ressourcen bedeutet. Es gehen nicht nur wertvolle Lebensmittel verloren, sondern wir schädigen unsere Umwelt auf nicht tragbare Art und Weise.
Sollten wir unser Verhalten in der Zukunft nicht ändern und weiterhin verschwenderisch und respektlos mit den uns ernährenden Lebensmitteln umgehen, zerstören wir in vollem Bewusstsein unseren eigenen Lebensraum und somit uns Selbst.
Dokumentation 3Sat - Lebensmittelverschwendung in Österreich - online bis 21.2.18
Jeder Einzelne ist fähig, dieser Verschwendung entgegen zu wirken.
Als Anregung möchte ich kurz einige Möglichkeiten aufzählen:
- Geh ohne Hunger einkaufen.
- Schreibe dir eine Einkaufsliste.
- Überlege bei jedem Produkt in deiner Hand ob du es wirklich brauchst.
- Wirf nicht unbedacht LM weg, deren MHD (MINDESThaltbarkeitsdatum) abgelaufen ist. Der Großteil der Produkte ist noch lange danach genießbar!!
- Beachte die Hinweise zur richtigen Lagerung von Lebensmitteln.
- Teile Lebensmittel die du selber nicht mehr isst mit Freunden, Nachbarn, oder im Internet über Essenskörbe [3].
- Informiere dich über die Rettung von Lebensmitteln, die in der Tonne landen würden, bei foodsharing oder auf meinem Blog.
Ich hoffe euch durch die Zusammenfassung der Studien einen guten Einblick verschafft zu haben. Mehr Infos gibt es noch auf der Internetseite von WWF.
Quellenangaben und Erläuterungen:
WWF-Studie – Das große Wegschmeißen WWF-Studie – Tonnen für die Tonne Fakten zur Lebensmittelverschwendung – Mutter Erde
[1] Tonnage: in Registertonnen gemessener Rauminhalt (eines Schiffes). [2] Flächenfußabdruck: Unter dem Ökologischen Fußabdruck wird die Fläche auf der Erde verstanden, die notwendig ist, um den Lebensstil und Lebensstandard eines Menschen (unter Fortführung heutiger Produktionsbedingungen) dauerhaft zu ermöglichen. [3] Essenskörbe: Über die Internetplattform von Foodsharing teilen Privatpersonen Essen, welches sie selbst nicht mehr benötigen.
Tabellen: WWF-Studie – Das große Wegschmeißen
Fotos: ElasticComputeFarm - Pixabay hygruesen - Pixabay jaymethunt - Pixabay @happy.food.life
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