Kapitel VII – Englisch: Warum kann es jeder und doch irgendwie keiner?

@kikihamster · 2023-05-16 18:21 · deutsch

Zunächst zu meiner Affinität: seit der 5. Klasse meiner geliebten Hauptschule in Bayern, seinerzeit also mit 10 Jahren, lerne ich es. Mein persönliches Interesse, also neben der Schule, an der Sprache rührte von den vielen Künstlern deren Musik ich mag (z. B. Michael Jackson) und mochte (z. B. Eminem). Da saß ich in meinem Kinderzimmer, mit dem Langenscheidt, und habe Wort für Wort der Texte, welche in den CD-Booklets standen, auf Deutsch zusammengestöpselt. Ich ging auch fast immer nur mit Ghettoblaster duschen um CDs zu hören und laut mitzusingen. Dann natürlich noch meine wachsende Begeisterung für Videospiele, z. B. Vampire: The Masquerade – Bloodlines mit seiner exzellenten Vertonung in Originalsprache mit deutschen Untertiteln, oder Final Fantasy X mit seiner englischen Vertonung und den super beschissenen deutschen Untertiteln. Sämtliche Firmen, begonnen mit meiner Ausbildungsfirma (Industriekauffrau) für die ich gearbeitet habe waren international oder sogar global tätig, oder es waren wie zuletzt und jetzt Hausverwaltungen in der Hauptstadt Berlin, wo viele der Mieter kein deutsch sprechen. Dazwischen kamen noch meine ersten Bücher auf Englisch: Harry Potter, und juhu! was war es für eine Freude, die neuen Bücher im englischen früher lesen zu können, weil es sie auf Deutsch noch nicht gab. Irgendwann habe ich festgestellt, dass ich viele Dinge die aus England kommen sehr mag; The Cure, Blur, Gorillaz, Damon Albarn, Lara Croft, Harry Potter – die Liste ist lang. Auch habe ich angefangen DVDs im Original-Ton anzuschauen und dabei festgestellt, wie attraktiv ich britisch-englisch finde (Orlando Bloom) im Vergleich zu amerikanischem Englisch (Buffy - OMG schrecklich!). Häufig sind mir auch Dinge, natürlich meist in Songtexten, aufgefallen die man im englischen in einem Satz ausdrücken kann, wohingegen man im deutschen ein paar mehr Worte braucht um die gleiche Aussage zu treffen. Als Beispiel: The way you make me feel = das Gefühl das du mir gibst/ die Art wie ich mich durch dich fühle. Als ob das irgendjemand im normalen Sprachgebrauch so sagt. Oder einfache Aussagen nach einem Statement wie „nailed it!“ Genau getroffen? Wir würden sagen, den Nagel auf den Kopf getroffen, was sechs Wörter sind, statt zwei. Auch gut: I´m on fire!

Ich bin – wie man merkt – ein großer Fan von vielen Dingen. Also ein Fan-Fan! Da ist es unheimlich praktisch, wenn man youtube Videos von deren Schöpfern auf Englisch angucken kann, Podcasts hören kann, Artikel lesen kann… wie oft haben mir englisch-sprachige Spieleforen durch die Google-Suche bei meinen Problemen geholfen (immer), im Vergleich zu deutsch-sprachigen (nie). Durch The Elder Scrolls: Oblivion habe ich Mods kennengelernt – über die Jahre gab es klar immer mehr deutsch-sprachige Mods bzw. Übersetzungen, doch eben nicht die ganze Auswahl im nunja, Ganzen! Was täte ich ohne nexusmods.com? Sämtliche Anleitungen wie man die installiert sind auch nur englisch gewesen. Und sind es häufig noch.

Also was ich damit sagen will: ich MAG englisch! Ich finde ich bin gesund damit auf- bzw. zusammengewachsen. Dennoch stört es mich, es stört mich sogar SEHR, wenn ich E-Mails von Firmen bekomme in denen Sätze stehen wie „die betroffenen Kabel müssen durchgespliced werden…“. Wenn ich Werbungen lese die lauten „feels like Montagmorgen“. Wenn ich Leute am Potsdamer Platz sagen höre „Dieses Gebäude gibt mir jedes Mal anxiety!“ Man kann es auch umdrehen, das stört mich genauso, man KANN m. E. englische Aussprüche nicht im deutschen verwenden: Leute die sagen „Ich fühle dich!“ – weil man ganz bei der Person ggü. ist mit dem was sie erzählt und deren Ansicht versteht (I feel you betroffenes Gesicht einfügen). Es nimmt immer mehr zu und ist allzeit präsent.

Trotzdem ist die englische Sprache nicht immer die Lösung für Sprachbarrieren. Es hat mir auf Malta nichts genützt mit dem Busfahrer, wo es zum nächsten Sandstrand geht. Es hat mir sooft an Fahrkartenautomaten in Nürnberg nichts genützt, wenn mich jemand wild fuchtelnd um Hilfe gebeten hat. Es hat mir nichts an der Tankstelle in Savona gebracht. Unzählige, hunderte Male konnte ich Personen die mich an irgendwelchen Bahnhöfen nach dem Weg gefragt haben, nicht helfen. Erst gestern wieder, auf dem Weg zur S-Bahn, wo mir eine völlig Fremde (mein Alter ca.) ihr Handy unter die Nase hielt, wo ich nicht mal die Schrift (kyrillisch) lesen konnte um auch nur zu erahnen wo sie vielleicht hinwill. Viele der Mieter, mit denen ich zu tun habe, sprechen englisch. Aber noch mehr sprechen es nicht. Ich werde jetzt auch liebevoll einen meiner Lieblingscharaktere erwähnen, nämlich die Toilettenfrau (ich meine das Ernst und ohne Sarkasmus, ich liebe diese Frau sie ist superputzig!). Sie ruft bei uns an, wenn sie Material benötigt und wie viel davon. Das Gespräch läuft immer gleich: „Toilettenfrau. Klopapier 20. Seife 10.“ Zum Beispiel. Abseits dieser Sprachkenntnisse kann man nichts sagen und eine Antwort darauf erwarten. Auch mit anderen Unternehmen oder Shopmietern gibt es Hürden, wenn man sich zusammenstöpselt, dass wohl gerade Wasser aus der Decke tropft und dann vor Ort festgestellt wird, es kommt eigentlich aus dem Bodenabfluss hoch.

Ok man könnte jetzt sagen, nimmt man jetzt meinen „Werdegang“, den ich mir schon vor dem business english freiwillig ausgesucht habe, als Maßstab, dass es an der Generation liegt. Vermutlich sind die Generationen nach mir, und nicht die neben oder vor mir, diejenigen, welche mit der Sprache nicht mehr so viele oder keine Probleme haben. Ich spreche von denen, die seit dem Kindergarten Englisch lernen.

Aber warum ist es überhaupt ein Problem? Es sollte keines sein. Ich bin der festen Überzeugung, dass man die Sprache des Landes, in welchem man lebt und arbeitet, sprechen können sollte. Da, ich habe es gesagt! Ist man noch nicht lange hier oder ein Tourist, hat doch wohl gefühlt jeder 10-jährige mittlerweile ein smartphone (=schlaues Telefon, ahahahaaha) in der Hand. Und wenn schon keine passende App (DIE App – obwohl es sicherlich von „the application“ stammt aber achja, DIE Anwendung), tut es auch der Google-Übersetzer.

Warum ist das so? Warum steht überall so viel auf Englisch? Sollen wir es irgendwann alle können? Warum sehe ich auf meinem Handy, dass (Standort, Bluetooth, Internet) GENAU WEISS dass ich in Deutschland bin fast nur englische Werbung? Warum finden so viele junge Menschen es so toll und ersetzen so viele Wörter (omg, das ist voll CRINGE!) in ihren Sätzen? Ich mache das übrigens auch, allerdings sage ich wenn meist ganze Sätze oder eben Flüche (Platz Nr. 1 Jesus, sprich: geeeeeeeezas). Als ich noch alleine gewohnt habe war es schlimmer, da hatte ich zu Hause keinen der mit mir deutsch spricht oder darauf hinweist (:-*Küsschen an Alu an der Stelle). Instagram, TikTok & Co. haben es geschafft dass die Menschen angefangen haben das zu lieben, was früher nur die „uncoolen“ gemacht haben: Jahresberichte schreiben. Da bastelt man sich schöne Erinnerungen zusammen, weil was wirklich in dem Jahr passiert ist will doch am besten keiner mehr wissen. Da sieht man dann supergestylte, schöne Menschen (von den gestellten Fotos, Filtern und der Beleuchtung fange ich gar nicht erst an) die ihr supercooles, abgefahrenes und perfektes Leben mit der Welt teilen können. Dann wollen viele auch, dass viele dieses perfekte Leben sehen. Und viele erreicht man am besten mit -> englisch! Je mehr likes (wie übersetzt man das mit einem Wort? Ich würde es viele Mag Ichs nennen), desto besser! Weil mir ja die Meinung von 10.000 unbekannten total wichtig ist, sie kennen mich nicht, nur das Bild, dass ich von mir male. Hauptsache sie beneiden und feiern mich und mein tolles Leben! Ok ich schweife ab - mit englisch erreicht man schon immer eine große Masse – siehe auch Musikindustrie. Womit wir wieder am Anfang des Eintrags von mir sind, der Musik auf Englisch ^^

Wie ist das hier, auf dem Hive? Warum schreiben so viele nicht-Engländer auf Englisch? :D

#deutsch #sprache #meinung #englisch
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