In Gedenken

@kuestenkind · 2018-04-21 11:04 · deutsch

Kurzer Rückblick zur Geschichte meines Opas.

Mein Opa, der war mein Fels in der Brandung, mein bester Freund und mein großes Vorbild. Es gab nichts auf dieser Welt, was mein Opa nicht konnte und auf ihn war immer Verlass.

Wir lebten damals alle zusammen in einem Mehrgenerationenhaus (so wie es schon seit den frühen 1920er Jahren üblich war). Es funktionierte gut, mein Opa hatte uns ein wahres Paradies geschaffen und wir lebten auf dem schönsten Fleckchen Erde, das es nördlich des Nord-Ostsee Kanals gab.

Mein Opa war ein Macher, der Unverwundbare. Bis zum Sommer 2012. Er erzählte mir, dass er Schmerzen in der Rippengegend hätte, das er nachts schwitzen würde, kaum schlafen könnte und schwerer Luft bekommt.

Für mich als Arzthelferin war das ein kleines Alarmzeichen.

Wir schickten ihn zu mehreren Untersuchungen mit dem Ergebnis Lungenkrebs.

Mein Opa war doch verwundbar. Er hatte in seiner beruflichen Laufbahn viel mit Asbest gearbeitet. Dies hatte sich tief in seinen Lungen angesammelt und dafür gesorgt, dass die Lungenbläschen verklebten und ein Tumor entstehen konnte.

Ich war am Boden zerstört und die ganze Familie befand sich wochenlang in Schockstarre. Die vielen Untersuchungen und die Chemotherapie machte meinen Opa zu einem anderen Menschen. Nicht weniger liebenswürdig aber anders.

Ich werde euch nicht mit dem weiteren Verlauf der Erkrankung langweilen, denn jeder weiß, wie das Leben eines Krebskranken ist.

Mein Opa und ich kamen uns in dieser Zeit noch näher als zuvor. Wir unternahmen viele Familienausflüge und führten viele ernste Gespräche.

Mein Opa war nie ein besserer Lehrer für mich, als in seinen dunkelsten Stunden. Alles was er sagte, saugte ich auf wie ein Schwamm. Ich wollte so viel wie möglich mitnehmen können, bevor der Krebs uns die Möglichkeit miteinander zu reden nehmen würde.

Zu meinem Geburtstag im August 2014 schenkte mein Opa mir eine Orchidee und jetzt kommen wir zu der eigentlichen Geschichte, die mich heute noch zu Tränen führt.

Ich hab keinen sonderlichen guten grünen Daumen und alle Orchideen, die ich mir zuvor gekauft hatte, leben heute leider nicht mehr.

Mein Opa schenkte mir also nun eine weiße Orchidee und ich hoffte, dass ich diesmal mehr Erfolg haben würde.

Am 08.11.2014 starb mein Opa gegen Mittag in einem Kieler Krankenhaus an den Folgen seiner Krebserkrankung. Er ging friedlich von dieser Welt, so wie er es sich gewünscht hatte.

,,Deern, ich will zu Hause sterben."

Diesen Wunsch konnten wir ihm nicht erfüllen. Er fiel zu Hause in einen tiefen Dämmerschlaf, also ist er für mich zu Hause gestorben. Alles was ihn ausmachte, seine Seele und sein Wesen blieb im Haus. Er war nicht mehr ansprechbar, als er in die Klinik eingeliefert wurde.

Das Datum ist genauso prägend wie diese Orchidee. Am 11.08. bin ich geboren und am 14.08. meine Cousine. Seine Enklekinder waren für meinen Opa immer der wertvollste Besitz. Gestorben ist er am 08.11.14 und alle Daten wiederholen sich in seinem Todesdatum.

Als ich an diesem Tag mittags nach Hause kam, atmete mein Opa noch, war aber nicht mehr ansprechbar. Ich betrat mein Wohnzimmer und mein erster Blick fiel auf diese wunderschöne Orchidee, die noch in voller Blüte war.

Ich ging duschen, packte ein paar Sachen zusammen (ich wollte nicht alleine schlafen) und ging in die Küche. Dann klingelte das Telefon und mein Vater war dran.

,,Janina, dein Opa ist gerade eingeschlafen."

Ich brach zusammen. Als ich dann einige Zeit später das Wohnzimmer betrat, lagen alle Blüten auf dem Fußboden. Wie konnte das sein? Ich hatte doch gerade gesehen, dass alle Blüten frisch aufgegangen waren. Ich berührte eine Blüte. Sie war noch feucht, ganz frisch.

Dieser Moment wird mich wohl bis auf ewig begleiten und zeigt mir, dass es Dinge gibt, die der Mensch nicht erklären kann.

Die Orchidee hält bis heute. Und immer wenn sie blüht, dann ist da ein Strahlen in meinem Gesicht und auch diese unendliche Trauer wieder da.

Ich liebe diese Blume und könnte es mir nie verzeihen, wenn auch sie alle Lebensgeister verliert. Es ist das Letzte, das mein Opa mir gegeben hat, das noch lebt.

Und genau in diesen Tagen blüht sie wieder und wird es hoffentlich auf ewig tun.

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Um diese unsagbare Trauer tief in mir loszuwerden, habe ich begonnen ein Buch zu schreiben (schon während Opa noch lebte). Ich hoffe ich habe eines Tages die Kraft es zu veröffentlichen.

Habt ihr nach dem Tod eines geliebten Menschen auch solche Dinge erlebt? Wie seit ihr damit umgegangen?

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