Manche Orte hat man ganz anders in Erinnerung, als wie man sie heute wiederfindet. Manchmal waren sie doch früher viel viel größer, und woanders staunt man, dass es hier alles doch nicht so klein und schmal ist, wie man dachte. Auf das eigene Gedächtnis ist nicht immer Verlass und es kann leicht trügen, wobei bei unseren Erinnerungen wohl oft auch der Wunsch den Traum gestalten kann. Vieles von dem, woran wir uns erinnern, hat mit der früheren Realität nicht allzu viel gemein. Was je nach persönlicher Situation und Lage Fluch oder auch Segen sein kann.
Aber so ganz philosophisch müssen wir heute gar nicht werden, das überlassen wir diesmal gerne anderen. Wir dagegen begeben uns einfach mal wieder vor die Türe und drehen eine kleine Runde in bekannten Gefilden - sozusagen zur eigenen körperlichen und mentalen Entspannung.
Wobei ich dann doch wieder bei meinen Eingangs gewagten Gedanken bin, denn diese bekannten Gefilde präsentieren sich immer wieder anders. Zwar nicht komplett, aber doch entscheidend, und womöglich ist meine häufige und meist ziemlich lange Abwesenheit der Hauptgrund dafür. Oder ist es nur Vergesslichkeit oder doch bereits die einsetzende Demenz?
Die letzte Frage will ich dann doch lieber nicht geäußert haben, sondern bleibe bei der ersten Theorie. Wenn man lange nicht an einem Ort war, bekommt man halt viel deutlicher mit, wie er sich verändert. Besonders dann, wenn er einem durch frühere Besuche recht vertraut war.
Diese Vertrautheit redet man sich bei seiner Rückkehr dann auch gerne wieder ein, doch wenn man sich umsieht, merkt man, dass hier auf einmal ganz andere Bäume in den Himmel gewachsen sind, und andere dafür bereits verschwunden sind. Ganz genau wie hier an diesem kleinen See, der doch in den eigenen Erinnerungen früher viel größer gewesen ist.
Aber wenn ich mich dann recht besinne, kann ich mich eigentlich gar nicht genau erinnern, wie es überall ausgesehen hat. An einige Stellen schon, aber hundert Meter weiter sieht das ganz anders aus. Zu viel Zeit ist vergangen, und zuviel Gras ist über alles gewachsen, was man einmal kannte. Und das nicht nur sprichwörtlich!
Wenn ich nicht genau wüsste, wo ich hier jetzt stehe und nur diese Fotos präsentiert bekommen würde, ich könnte wahrscheinlich nicht sagen, wo diese denn aufgenommen wurden. Gleicht am Ende nicht ein See dem anderen?
Natürlich gibt es Unterschiede, aber im Laufe der Jahre scheinen diese oft nicht mehr prägnant genug, als dass sie im eigenen Gedächtnis einen festen Platz haben. Zuviel hat man bereits gesehen, und dadurch relativiert sich eben das einzelne Erlebnis und wird nur noch eines unter vielen. Und auch wenn man mit einzelnen Orten eine ganze Menge verbunden hat, verschwinden und verschwimmen die Bilder im Kopf dann irgendwann doch.
Eventuell hilft es, die Erinnerungen ab und zu aufzufrischen und die Bilder auf den neuesten Stand zu bringen. Aber dabei wird dann leider eine ganze Menge überschrieben, denn das Alte muss auch im Kopf Platz für das Neue machen.
Lamentieren bringt hier nichts, aber gegen ein wenig Melancholie sollte man sich einfach nicht wehren. Dieses bitter-süße Gefühl ist mir bereits gut vertraut und mir ein ständiger Begleiter geworden. Und ich weiß, dass es da sein wird, wenn ich eines Tages wieder hier an diesem See vorbeikomme und auf das Wasser vor mir schaue.
Dann wenn ich wieder in meinen Gedanken krame und überlege, ob es hier schon immer so ausgesehen hat und was sich vielleicht verändert haben könnte. Der Baum hier und der Busch dort - gab es die nicht früher auch, und wann war denn dieses früher nur?
Diese Fragen mögen nicht essentiell sein, aber manchmal tut es einfach gut, sich damit zu beschäftigen. Ein wenig Abwechslung von wichtigeren Themen tut hier und da ganz gut, denn auch das Herz will beschäftigt werden. Und auch wenn der See hier vor uns nicht ganz so groß ist wie das kleinste Meer, unsere Gedanken und Gefühle kann man auch hier ganz gut auf große Reise schicken....