Warum schreibst du nie etwas Wirtschaftliches, wenn du Wirtschaft studierst? Die Frage habe ich öfters gehört und heute ist es so weit. Das soll freilich nur ein etwas ausführlicher Exkurs sein, aber ich denke, es handelt sich um ein wichtiges Thema, über das ich hier aufklären möchte. Also schnapp dir deinen Tee, denn das ist nichts für schwache Nerven.
Das meiner Meinung nach beste Pressebild aller Zeiten
Es ist wohl ein kleiner Bruchteil der Europäischen Bevölkerung, der sich Gedanken über unser Geld, das Geldsystem und die dahinterstehende Geldpolitik Gedanken macht. Von diesem Bruchteil ist die Mehrheit überzeugt, dass sich das EU Bankensystem nach vielen Regulierungen, in den 10 Jahren seit der Finanzkrise 2007/8 erholt hat: Die Banken verstehen ihre Risiken besser, haben aus den Fehlern gelernt, die Aufsicht ist europäisch und strenger. Falsch.
In der Realität haben sich im Bankensystem Risiken akkumuliert, die sich vorbei an Aufsicht und Risk-Management schleichend etabliert haben und die paradoxerweise genau durch die Mechanismen zur Begradigung von 2008 entstanden sind.
Stresstests (Erkennen von Kreditrisiken) /Das Versagen der Aufsicht – Diese werden regelmäßig von der Aufsicht durchgeführt, schlagen aber nicht aus. Warum? Nach den letzten durchgeführten Stresstests, bei denen keine Probleme gefunden wurden, sind einzelne Banken in Liquiditätsengpässe gekommen. Diese Tests können also nicht so tiefgreifend gewesen sein, sonst hätte man Risiken im Vorhinein entdeckt oder man ist mit den gängigen Methoden nicht in der Lage schwerwiegende Fehler aufzuspüren.
Die aktuelle EZB Politik mit Niedrigst- und Nullzinsen führt dazu, dass wir unser ganzes Geld- und Bankensystem massiv destabilisieren. Nach Draghis berühmt-berüchtigten Sager „whatever it takes“ wurden die Zinsen wahrscheinlich ursprünglich so niedrig angesetzt um den Südeuropäischen Ländern die Möglichkeit zur Sanierung zu geben (niedrigere Zinsen zur Schuldentilgung) und um in gesamt Euroland die Kreditaufnahme attraktiver zu machen, um das Wirtschaftsgeschehen (Konsum) am Leben zu halten.
Warum führt das zur Destabilisierung? Unternehmen gehen pleite. Sie werden vom Markt aussortiert, aufgrund von Ineffizienz oder sonstigen Formen von Missmanagement (Kreative Zerstörung, Schumpeter). Man muss Pleiten akzeptieren, damit Humankapital oder andere Ressourcen freigesetzt werden und effizientere Verwendung finden. Wenn wir Pleiten verhindern, sichern wir das Fortbestehen von maroden Systemen, die über lange Sicht hinweg einen Abwärtstrend bewirken. Die Nullzinspolitik verhindert Pleiten im Wirtschafsgeschehen, weil Unternehmen fast beliebig billige Kredite aufnehmen können. Diese maroden, unter normalen Umständen nicht lebensfähigen Unternehmen sammeln sich unter anderem in den Bilanzen der Banken, da sie Gläubiger derer sind. Der IWF nennt mit 2018 Kreditforderungen von 900 Mrd. Dollar im Euroraum, die jetzt schon nicht mehr bedient werden. Die Zahl wird sich zwangsläufig drastisch erhöhen.
EZB-unabhängigen, öffentlichen Szenarien zufolge müsste der Leitzins nur um ein Prozent steigen (Trigger ist Zinswende), damit unzählige Unternehmen (natürlich auch Privatpersonen) ihre Schulden nicht mehr tilgen können und es zum Systemkollaps kommt. Nach diesem Zeitpunkt dauert es noch circa ein bis zwei Jahre bis die Verluste das Eigenkapital im europäischen Bankensektor überschreiten. Das bedeutet im Sektor Pleite.
Die Bankenrettung verhindert Pleiten bei Finanzdienstleistern. Einer der größten Systemfehler an sich ist die Bankenrettung, denn sie hält zwar das Giralgeld des kleinen Kontobesitzers am Leben, verseucht aber den ganzen Sektor, indem sie Inkompetenz zulässt. Große Bankenrettungen führen mitunter zu Steuererhöhungen, die die für eine Konjunktur notwendige Konsumsteigerung behindern können.
Das Problem ist, dass die nächsten großen, gesammelten Bankenpleiten wesentlich schlimmer ausgehen werden als 2007, weil die Fehler von 2007 bestehen geblieben sind und neue Fehler, bedingt durch die Nullzinspolitik dazugekommen sind. Man könnte es vergleichen mit einem Beinbruch, dessen Leiden vorübergehend mit Schmerzmitteln gestillt werden, der aber unbehandelt bleibt und sich daher eine tiefergreifende Entzündung bildet, die irgendwann zwangsläufig zur Amputation führen muss.
Das alles ist keine Verschwörungstheorie, sondern das sind trockene Zahlen und Analysen und pure Inkompetenz seitens der EZB. Und: Das ist natürlich nur die Spitze des Eisberges. Ich habe noch mehr dazu zu schreiben und werde das gerne machen, wenn es genug Interessenten gibt.
Ich sehe in Wien auf der Straße die Plakate der BAWAG Bank, die für Autokredite um 0% wirbt. Ich habe im Sommer bei einer namhaften großen österreichischen Sparkasse gearbeitet, die seit September 2017 Kreditkarten ohne Einkommensnachweise vergibt. Ich kenne das Business von innen und weiß, dass es bis zum Himmel stinkt.