Eine Woche, 7 Blicke - Die Kunst des Schenkens

@melange · 2018-03-08 15:34 · deutsch

Heute ist Weltfrauentag. Besonders in Osteuropa werden den Frauen zum heutigen Tag Geschenke gemacht. Hier in Österreich ist es hauptsächlich ein Feiertag für den Handel, aber das ist eine andere Geschichte. Habt ihr euch jemals die Frage gestellt, was man jemandem schenkt, der alles hat?

Besonders schwer wird es, eine Person zu beschenken, wenn man sich nicht persönlich kennt. Alle kreativen Ideen vom Fotoalbum bis zum Schenken von Zeit, können verworfen werden. Man kennt sich persönlich nicht sehr gut, also kommt wohl ein materielles Geschenk in Frage. Dann gibt es aber Menschen, bei denen scheint es so, als ob sie alles hätten, als ob sie wunschlos glücklich wären, oder einen so wohlhabenden Lebensstandard pflegen würden, dass sie unbeeindruckt wären von allem Materiellen, dass „unter“ ihrer normalen Konsumation liegt. Was schenkt man einem König?

Dazu gibt es eine Geschichte von Nasreddin, einer Figur aus den Erzählungen vieler Turkvölker:

Eines Tages wurde Nasreddin zum König gerufen. Ein Nachbar sah wie er mit einem Sack Rüben die Straße hinuntereilte. „Wofür sind die Rüben?“, fragte er. „Ich wurde zum König gerufen. Ich dachte, ich sollte am besten ein Geschenk mitbringen.“ „Du willst ihm Rüben bringen? Aber Rüben sind doch ein Bauernessen! Und er ist ein König! Du solltest ihm etwas Angemesseneres bringen, Trauben vielleicht.“ Nasreddin gab dem Nachbarn recht und trat mit einer Weinrebe voller Trauben vor den König. Dem König gefiel das nicht. „Du gibst mir Trauben? Aber ich bin ein König! Das ist lächerlich. Führt diesen Dummkopf hinaus und lehrt ihn Manieren! Werft die Trauben einzeln nach ihm, und dann jagt ihn aus dem Palast.“ Die Wächter des Königs zertten Nasreddin in ein Nebenzimmer und schlugen mit der Weinrebe auf ihn ein. Da fiel er auf die Knie und begann zu schluchzen. „Danke, Gott, danke für deine unendliche Güte!“ „Warum dankst du Gott?“, fragten sie, „Du wirst gerade zutiefst gedemütigt!“ Nasreddin erwiderte: „Oh, ich dachte gerade ‚Gott sei Dank, dass ich nicht mit Rüben gekommen bin!‘“ (David Graeber, Schulden)

Tatsächlich wäre es aber besser gewesen, hätte Nasreddin dem König die Rüben, als Zeichen der bäuerlichen Demut gebracht. In große Schwierigkeiten kann man dann kommen, wenn man einem König etwas königliches schenkt (Konkurrenz) oder noch schlimmer, wenn man dem König etwas schenkt, dass er noch nicht hat. Araber erzählen die Geschichte des Königs Sind. Es war Usus, dass Reisende vorbeikamen, die besondere Geschenke machten. Der arrogante König, schenkte sogleich, um seine Macht zu demonstrieren, etwas noch Wertvolleres zurück. Daraus entwickelte sich ein regelrechtes Gewerbe, mit einer Bank, die Geschenkkäufe finanzierte. Als der König davon mitbekam, reagierte er gelassen, denn er hatte, was er wollte. Er konnte seine Macht zeigen.

Ein ausgezeichnetes Geschenk machte, meiner Ansicht nach, der österreichische Bundespräsident bei seinem letzten Besuch im Vatikan. Er schenkte dem Papst drei Tiroler Brotlaibe, ein symbolisches Geschenk ohne Übertreibung, für den christlichen Rahmen und eine Präsentation der Heimat und österreichischen Volkskunst sehr gut geeignet.

Brot.jpg (Bild: Die Presse)

Also gilt: Wenn man sich in der unangenehmen Lage befinden sollte, jemandem ein Geschenk machen zu müssen, der finanziell über einem steht, soll es sich nicht an sein Niveau angleichen. Wer das nicht versteht, hat keine Manieren.

Es handelt sich um ein Gegengeschenk? Eine finanziell über einem stehende Person macht ein Geschenk, dass so wertvoll ist, dass ich es nicht angemessen erwidern könnte. Damit bricht er verschiedene Regeln der Kunst des Schenkens, denn ein Geschenk muss grundsätzlich erwiderbar sein. Sei es auch unbeabsichtigt, bringt er den Beschenkten damit in eine schwere Lage.

Bei einer Person die alles hat, darf man beim Schenken nicht an sie denken. Das Suchen nach einer Sache, die die Person noch nicht haben könnte, ist fehl am Platz. Man sollte sich viel eher überlegen: Was hat für mich einen Wert, der anderen erst bewusst werden könnte, wenn ich es ihnen schenke. So habe ich einmal mein liebstes poetisch-philosophisches Buch „Wind, Sand und Sterne“ (in der gebundenen Ausgabe) an eine materiell weit über mir stehende Person geschenkt. Dabei habe ich der anderen Person die Möglichkeit gegeben meine Welt besser kennenzulernen.

Würde ich morgen zum Präsidenten von China gerufen werden, würde ich ihm wahrscheinlich eine Sachertorte mitbringen. In China ist eine Sachertorte aus dem Wiener Hause Sacher wohl etwas nicht Alltägliches. (Dabei muss ich auch überlegen, wie die diesige Kultur, so ein Geschenk aufnimmt.)

Was würdet ihr einer höher gestellten Person schenken? Wie macht ihr Geschenke? Was würdet ihr dem Präsidenten von China schenken?

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