Postkarten - So etwas beschreibt und versendet heute kaum noch wer. Dieses alte Relikt der Postgeschichte wird maximal noch benutzt, wenn man gerade im Urlaub ist, um der eigenen Familie oder der engsten Freundin eine Kleinigkeit zu senden - und auch da eher aus Tradition oder "guter Manier", statt aus wirklicher Überzeugung, wie schön und praktisch eine Postkarte ist.
So oder so ähnlich lautet wohl die heutige Analyse der deutschen Postkarten-Kultur. Obwohl das Adjektiv "deutsch" hier wohl kaum einen Unterschied macht. Denn es impliziert ja, dass in anderen Ländern eine beherztere Postkartenkultur existiert - das ist mir allerdings keineswegs bekannt.
Mit einer Postkarte ein Lächeln auf das Gesicht zaubern
Dennoch bin ich vor etwa 2 Jahren auf die Plattform Postcrossing gestoßen. Hier registriert man sich, um Postkarten an völlig fremde, zufällige Mitglieder der Plattform zu senden. Im Gegenzug spuckt das System dann wieder anderen Nutzer:innen die eigene Adresse aus, damit man selbst von einem schönen Postkärtchen im Briefkasten überrascht wird.
Natürlich gibt es auf der Plattform immer Personen, die sich etwas weniger Mühe geben, die einfach nur eine möglichst hohe Zahl an gesendeten und empfangenen Karten anstreben. Sehr oft erlebe ich aber auch das genaue Gegenteil; Nutzer:innen, die sich extrem viel Mühe geben, den:die Empfänger:in mit einer sehr schönen Postkarte ein Lächeln auf das Gesicht zu zaubern. So lief es auch ab mit der ersten Postkarte, die ich über die Plattform erhalten habe. Diese war, ganz nebenbei bemerkt, auch die erste Postkarte in meinem Leben direkt an mich persönlich, an die ich mich erinnern kann. Eine Überraschung, an die ich mich auch 2 Jahre später noch regelmäßig freudig erinnere.
Schon leicht vergilbt
Im Briefkasten: Ein brauner, quadratischer Umschlag, 3 Briefmarken, dekoriert mit etwas Washi-Tape (buntes Tesa-Film zur Dekoration). Über meiner Adresse steht nicht nur die ID, mit welcher man die empfangenen Postkarten bei Postcrossing registriert, um den Empfang zu bestätigen, sondern auch die Reiseentfernung: Etwa 800 Kilometer - aus östlicher Richtung, wie sich an der ID, die mit "PL-" beginnt und damit auf Polen als Herkunft hinweist, ablesen lässt.
Nachdem ich den Umschlag öffnete, halte ich nicht eine, sondern gleich 2 Postkarten in Händen. Die eine Postkarte ist eine einfache Touri-Postkarte aus einer polnischen Kleinstadt. Behandelt wird sowohl auf der Bild-Seite als auch auf der Rückseite im Text der Absenderin an mich die touristische Hauptattraktion der Ortschaft.
Viel spannender für mich allerdings die zweite Postkarte. Das Papier ist deutlich weicher; schon leicht vergilbt. Darauf zu sehen ist eine Familie, die mit Hund und Pferd auf einem Schlitten durch den Schnee wandert. Das Bild ist emotional düster und lässt einen schweren Winter und eine arme Familie erahnen. Auf der Rückseite befindet sich auf der linken Hälfte der Karte ein gedruckter Text auf Russisch, daneben schreibt mir die Absenderin ein paar Worte zur Karte. Aus ihrem Text lässt sich erahnen, dass die Karte wohl aus den 1960er Jahren und aus der Sowjetunion stammt.
Ich als kleiner Sowjet-Fanboy freue mich natürlich unglaublich über diese Karte und werde sie - wie alle meine Postkarten, unabhängig wie sehr sie mir persönlich gefallen - gut verstauen.
Dass ich genau diese Postkarte als meine erste empfangen habe, ist wohl ein wahrer Glücksfall, den ich für immer positiv in Erinnerung behalten werde.