Nachfolgendes Schreiben ist per eMail an alle deutschsprachigen Mitglieder des Rechtsausschusses des EU-Parlaments gegangen.
Wer möchte kann ihn gerne als Grundlage für ein eigenes Anschreiben verwenden. Bin gespannt ob ich denn überhaupt eine Antwort bekomme. :-)
Die eMails der Mitglieder des Rechtsausschusses findet Ihr hier.
Sehr geehrte Damen und Herren,
meine Name ist Andreas Sprecher und ich bin Videoproduzent. Mit über 3.500 Videos, welche im Internet monetarisiert werden, ist mir Urheberrecht im Internet sehr wichtig. Daneben bin ich aber auch Familienvater, Nutzer und EU-Bürger.
Daher möchte ich Sie um Ihre Meinung zu der geplanten Neuordnung des Urheberrechts in der EU befragen. Vornehmlich geht es mir um den geplanten Artikel 11 und den geplanten Artikel 13.
Artikel 13 lässt sich mit dem Begriff "Upload-Filter" zusammen fassen. Als technisch versiertem Nutzer ist mir klar, dass ein effektiver Upload-Filter - wie im Richtlinien-Entwurf vorgesehen - nicht möglich ist. Unternehmen im Internet ist es nicht möglich Urheberrechtsverletzungen schon vor der "Verletzung", also kurz nach dem Upload, zu erkennen. Wäre das möglich, hätte der Gesetzgeber dies schon 1995 einführen können. Die beste technische Lösung wären Hash-Listen, aber auch die sind nicht so effektiv, wie vom Gesetzgeber gewünscht.
Wenn aber irgendwelche Unternehmen die Man-Power und die finanzielle Power haben um so etwas zu stämmen, dann sind das sicher YouTube/Google und Facebook. Im Umkehrschluss ergibt sich daraus aber auch, das alle anderen (auch europäischen) Unternehmen, dies nicht können. Ist es demnach also Ihr Ziel alle potentiellen Konkurrenten von YouTube/Google und Facebook in Europa zu zerstören und damit das de facto Monopol von YouTube/Google und Facebook auf ewig zu zementieren? Dürfen demnächst nur noch die Unternehmen im EU-Internet auftreten, die 15 Mrd. EUR Reingewinn pro Jahr erwirtschaften? Weil für andere Unternehmen ist der Aufwand nicht zu bewältigen.
Die restriktive Gesetzgebung in Europa und Deutschland, hat in den letzten 25 Jahren dafür gesorgt, dass es ein europäisches Google/YouTube oder Facebook nicht entstehen konnte. Will man nun dafür sorgen, dass hier auch in Zukunft nichts entstehen kann?
Evtl. könnte man dies noch akzeptieren, wenn denn wenigstens auf der anderen Seite das gewünschte Ziel erreicht würde. Aber auch mit dem EU-Upload-Filter wird es nicht eine Urheberrechtsverletzung weniger geben. Die Plattformen die sich bisher um Urheberrechtsverstöße nicht gekümmert haben, werden es auch künftig außerhalb der EU nicht tun. Es ist ja nicht so, als wenn EU-Bürger künftig nicht mehr auf außereuropäische Angebote zugreifen könnten.
Dann gibt es noch die Plattformen im Internet, die selbst wenn sie Geld und Man-Power hätten, Uploads nicht verhindern können. Da wären Dienste zu nennen, die auf die Blockchain und/oder die sog. IPFS-Technik setzen.
Die Blockchain ist vereinfacht gesagt ein Netzwerk-Verbund von hunderttausenden von Rechnern, die sich alle untereinander abstimmen. Eine Urheberrechtsverletzung, die auf einem dieser Rechner begangen wird, synchronisiert sich automatisch auf alle anderen Blockchain-Rechner. Ob die anderen Rechner dies wollen oder nicht. Hinzu kommt noch, dass eine Urheberrechtsverletzung in der EU noch lange keine Urheberrechtsverletzung in Südost-Asien, Indien oder Südamerika ist und umgekehrt. Es gibt also nicht "Einen" der die Uploads in die Blockchain überwachen kann. Es sind hunderttausende und EU-Urheberrechtsverletzungen stellen im Rest der Welt keine Urheberrechtsverletzung dar. Hinzu kommt noch, dass Einträge/Urheberrechtsverletzungen in der Blockchain nicht nachträglich gelöscht werden können. Die Blockchain ist mit dem Ziel entwickelt worden nachträgliche Änderungen NICHT mehr zuzulassen. Da nimmt die Technik auf das Urheberrecht keine Rücksicht. Das mag in Ihren Augen nicht hinnehmbar sein, aber so ist es nun mal. Selbst wenn man jetzt auf die Idee käme die neue Technologie Blockchain zu verbieten, würde sich nichts ändern. Die Technologie ist außerhalb der EU nicht verboten.
IPFS ist eine neue Technologie zur Speicherung von Inhalten (Wort/Bild/Video/alles mögliche). Auch das IPFS Netzwerk besteht derzeit aus hunderttausenden Knotenrechnern. IPFS ist noch recht jung und wächst sehr stark.
IPFS hat keinen Befehl zum Löschen. Einmal hochgeladene Inhalte können nicht gelöscht werden. Wenn Sie jetzt fragen, wie man denn so etwas entwickeln kann, dann sei darauf gesagt, dass IPFS explizit mit dem Ziel entwickelt wurde, dass eine Datei nicht mehr gelöscht werden kann.
Wenn ich eine Datei ins IPFS-Netzwerk hochlade, verteilt sich diese Datei automatisch auf verschiedene Knotenpunkte weltweit. Wenn ich nun meine Datei "bei mir" auf dem Knotenpunkt entferne oder den Knotenpunkt abschalte, repariert sich das IPFS-Netzwerk automatisch in dem es die "entfernte" Datei erneut vervielfältigt. Das heißt eine Datei die z.B. 5x im IPFS-Netzwerk vorhanden ist, wird immer wieder neu erstellt, sobald ein Knotenpunkt eine Datei offline nimmt. Das IPFS-Netzwerk ist mit der Fähigkeit entwickelt worden, sich immer wieder selbst zu reparieren. Hinzu kommt natürlich, dass eine urheberrechtlich bedenkliche Datei außerhalb der EU nicht offline genommen wird, da sie dort legal ist.
Also auch hier greift der gewünschte Upload-Filter ins Leere.
Artikel 11 ist das deutsche Leistungsschutzrecht auf EU-Ebene. Das deutsche Leistungsschutzrecht ist eine sagenhafte Fehlleistung. Geplant war es als "Google-Steuer" um gleichzeitig die deutschen Zeitungen zu schützen. Aber seit Inkrafttreten hat Google nicht einen Euro an irgendeine Zeitung gezahlt um deren Inhalte übernehmen zu dürfen.
Wieso man dieses wirkungslose Gesetz jetzt EU-weit installieren möchte, ist mir unverständlich. Hinzu kommt noch, dass die EU NICHT die Aufgabe hat die Zeitungen zu schützen. Auch wenn es brutal klingt, so sind Zeitungen ein Medium der alten Generation. Die Zeitungen haben es auch 25 Jahre später nicht geschafft im Internet anzukommen. Natürlich verstehe ich die Motivation die hinter dem Versuch steht die Zeitungen zu retten. Sie basiert auf der Annahme dass die Zeitungen noch eine relevante Rolle in der Gesellschaft spielen. Dazu muss man einfach mal objektiv betrachten, von wo sich heutige Menschen mit Informationen versorgen. Mein Vater hat noch ein Abo seiner Tageszeitung, die auch jeden Tag gelesen wird. Für mich war die Zeitung nur noch das langsame Medium, dass die Nachrichten von gestern noch auf Papier drucken musste. Die nächste Generation schaut Umfragen zufolge nur noch zu einem Drittel überhaupt Fernsehen. Die anderen 66% bezieht ihre Informationen vollständig von YouTube und Facebook.
Insoweit darf es meiner Meinung nach nicht die Aufgabe des Gesetzgebers sein, die Zeitungen zu retten. Es muss die Aufgabe sein, dafür zu sorgen, dass die "Nachrichten"/Informationen bei der Zielgruppe ankommen. Denn das z.B. Facebook die "Nachrichten" nach eigenen Wünschen manipuliert ist hinlänglich dokumentiert. Die Zeitungen unter eine Schutzglocke zu packen wird Facebook und YouTube nicht behindern. Am Ende werden die Zeitungen doch nicht gelesen. Der Brexit hat gezeigt was passieren kann, wenn die Leser permanent mit einseitigen Informationen von der Sun und Co. versorgt werden. Das zu verhindern sollte das Ziel der EU-Politik sein. Zeitungen sind genau so schützenswert, wie es die Kutschenbetreiber zu Beginn des letzten Jahrhunderts waren, als diese vom Automobil verdrängt wurden.
Sie, als gesetzgebendes Organ haben aus ureigenstem Interesse dafür zu sorgen, dass die Nachrichten auch bei den jungen und kommenden Wählergruppen ankommen. Sie müssen aber nicht den Schützen, der sie immer noch auf Altpapier druckt. Die Auflage der Bildzeitung - über deren Qualität brauchen wir nicht zu diskutieren, aber sie ist die auflagenstärkste Zeitung in Deutschland - hat sich in den letzten 20 Jahren halbiert. In 20 Jahren ist diese Zeitung, genauso wie alle anderen Zeitungen, irrelevant.
Daraus ergibt sich Ihr Auftrag. Sorgen Sie dafür, dass andere Videoplattformen/Social Media Websites in Europa entstehen können und somit allen als Informationsbeschaffungsquelle zur Verfügung stehen. Der kommende Kahlschlag dank Artikel 11 und Artikel 13 sorgt nur dafür, dass neben YouTube/Facebook nichts wachsen kann.
Daher wollte ich bei Ihnen nachfragen, ob Sie Ihnen die Reichweite der geplanten Maßnahmen bewusst ist und ob Sie diesen Kollateralschaden wirklich in Kauf nehmen möchten?
Wie Eingangs schon erwähnt. Urheberrecht ist auch für mich von ureigenstem Interesse. Aber diese Maßnahmen sind wirkungslos und mittelfristig schädlich.
Mit freundlichen Grüßen,