Auf der ARS Electronica 2025

@stayoutoftherz · 2025-09-14 09:16 · Photography Lovers

Liebe Leser, nach 2 Jahren war ich wieder einmal auf der ARS Electronica, Bericht von 2023 hier. Diesmal war das Thema "PANIC yes/no", also wie immer unspezifisch genug, um ein breites Angebot an Kunstobjekten auszustellen. 122000 Zuschauer waren gekommen laut Wrapup! Dementsprechend war die Digital-Art-Ausstellung wieder riesig, ein Festivalpass zum Besuch aller Events über alle 4 Tage hätte 64€ gekostet - wir begnügten uns mit einem Tagespass, schon aus Zeitgründen.

Logo und Website: image.png https://ars.electronica.art/panic/de/

Wieder gab es in der "Postcity" und im Lentos Museum (wo die Preisträger zu sehen waren) ein Sammelsurium mehr oder weniger origineller Kunstprojekte und -installationen mit meist nicht nachvollziehbarem Bezug zum Thema. Hier ein paar Eindrücke:

„Requiem for an Exit“

Einer der Preisträger: Ein 4m großer Roboter, der im Prinzip nur aus einem "hyperrealistischen" Gesicht besteht, hält einen Monolog, in dem es um die Geschichte der Gewalt geht und dass diese wie in unsere DNA einprogrammiert erscheint, quasi eine Anklage an die Menschheit. Der Text wurde nicht mit AI verfasst, die AI wurde aber laut Programm "verwendet, um die Stimme des Roboters zu erzeugen, seinen unheimlichen Realismus zu potenzieren und die Paradoxien simulierter Empathie aufzudecken". Ein Beispiel für die kreativen Begleittexte, die oft origineller als die eigentlichen Kunstwerke sind. Ich nenne sie nur "Kunstsprech". Eine simulierte Sprache, die aus einer Aneinanderreihung beeindruckender, aber auch im Kontext vager und daher völlig belangloser Wörter, die den Leser ratlos zurücklässt, als sei er zu dumm, den Text zu verstehen, wo es in Wahrheit aber gar nichts zu verstehen gibt! IMG_1953.jpg


"Phonos"

Eine Klangskulptur aus 208 recycelten Lautsprechern, die keinen Schall erzeugen, aber in einem sich ständig ändernden Rhythmus klicken, quietschen und vibrieren, angeblich "am Verhalten von Tieren orientiert" - na ja. Zumindest optisch war das Ding schon beeindruckend. IMG_1919.jpg IMG_1921.jpg IMG_1914.jpg


"Dynamics of a dog on a leach"

Ein Roboterhund ist in dieser Installation an eine ca. 5m lange Leine gelegt und versucht auszubrechen, die Zuschauer bilden einen Halbkreis in sicherem Abstand. Es entsteht der Eindruck einer leidenden Kreatur durch das vergebliche Anrennen, Stolpern und sich Verhaspeln in der Leine - die spontanen (oder doch einprogrammierten?) Bewegungen wirken tatsächlich auf verstörende Weise lebensecht. In sozialen Medien haben angeblich Leute dem Künstler vorgeworfen, die Roboter zu "mißbrauchen". Die (von der EU geförderte!) Arbeit japanischer Künstler zeigt auf, wie Roboterbewegungen menschliche Empathie triggern können. IMG_1906.jpg


"tele-present wind (Mars wind version)"

In Zusammenarbeit mit dem NASA Jet Propulsion Laboratory wurden an 126 getrockneten Gräsern Kippvorrichtungen angebracht, die mit eingehenden Daten von Windsensoren des Preseverance-Rovers am Mars synchronisiert sind, sodass sich die Gräser wie im Marswind bewegen. IMG_1943.jpg


"XXX Machina"

Eine räumlich abgetrennte ("über 18J.") Multimedia-Installation, die "untersucht, wie Künstliche Intelligenz erotisches Begehren, Identität und Intimität ins Wanken bringt und neu formt und wie KI-Pornografie durch jederzeit verfügbare Befriedigung menschliches Begehren, Intimität und den Körper selbst verändert. Was auf den ersten Blick wie konventionelle pornographische Darstellungen erscheint, offenbart bei näherer Betrachtung verstörende Brüche und körperliche Unmöglichkeiten. Und das alles "unter Rückgriff auf die lacansche Psychoanalyse, poststrukturalistische Theorie und Georges Batailles Verständnis von Erotik"! Kunstsprech at it´s best! Herrlich, wie hier einfache Pornographie künstlerisch erklärt und rationalisiert wird. Dass diese KI-Pornobilder es ins Lentos Museum geschafft haben, ist die eigentliche Leistung der "Künstler"! image.png


"Mycogravity" Der Begriff Microgravity bezeichnet die verringerte Schwerkraft im Weltraum. Ein Wortspiel damit kreieren, eine Pilzkultur an einem Roboterarm befestigen und in drei Achsen bewegen lassen - und schon ist die "Kunstinstallation" fertig. Fast, es fehlt noch der passende Kunstsprech: "Die Arbeit erinnert uns daran, dass Anpassung in fremden Welten möglich ist, doch die Balance in unserer eigenen Welt zu bewahren, bleibt wahrscheinlich die größere Herausforderung..." IMG_1931.jpg

Hier noch ein Photodump ohne Kommentare:

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Blick vom Lentos Museum auf die andere Seite der Donau, links das ARS-Electronica Center, das ganzjährig meist interessante und interaktive Dauerausstellungen zum Thema Digitalisierung anbietet. IMG_1947.jpg

Kunst betrachten (und darüber lästern) macht hungrig! Stärkung in einem chinesischen Restaurant in der Nähe. IMG_2001.jpg

Am gleichen Abend fand auch die jährliche Klangwolke in Linz statt (diesmal mit 1/3 weniger Budget als 2024 und ohne das traditionelle Feuerwerk - "nur" 950.000€). Da mit zehntausenden Besuchern gerechnet wurde, galt es, die besten Plätze am Donauufer rechtzeitig zu ergattern (der Eintritt war gratis); wir hatten Glück und vor der Bühne und leicht erhöht war noch etwas frei (später füllte sich dann alles komplett), sodass wir eine phantastische Sicht hatten! IMG_2009.jpg

Visuell war es ein grandioses Schauspiel! IMG_2099.jpg

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Akustisch fand ich es nicht überzeugend, hier eine Aufzeichnung, wer sich einen Eindruck verschaffen will: https://on.orf.at/video/14290592/visualisierte-linzer-klangwolke

Ein Kurztrip quer durch die ARS (2 min.): https://youtu.be/YaWXLDa2oxA?si=tNv5LLRS-fl1nJcp

Fazit: Insgesamt wenig Innovatives, wenig Kreatives, die ARS Electronica spulte eine Art Routineprogramm ab. Die Zeiten, als die Ausstellung tatsächlich aktuelle gesellschaftliche Veränderungen oder wissenschaftliche Innovationen thematisierte, sind offenbar vorbei. Auch in der Kunst hat sich ein Einheitsbrei etabliert, der gängige Narrative auf keinen Fall in Frage stellt und nirgendwo anecken will und stattdessen auf visuelle oder akustische Effekte setzt. Aber wie gesagt, wir hatten nicht alles gesehen und eventuell haben wir gerade das Beste auch verpasst.

All pics by @stayoutoftherz

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