Liebe Leser,
diesmal geht es wieder um kugelförmige Objekte, aber nicht um Fußbälle, sondern um Schneekugeln.
Vorletzten Freitag war Tag der Offenen Tür im Schneekugelmuseum in Wien!
In diesem unscheinbaren Haus aus dem 18.Jhd. in Wien Hernals (17.Bezirk) ist die "Original Wiener Schneekugelmanufaktur" beheimatet.
Hier werden seit ca. 1905 diese Souvenirs, Mitbringsel, Objekte von Kitsch oder Nostalgie, oder was immer sonst sie sind, hergestellt. Wie alles angefangen hat, ist einem kuriosen Zufall zu verdanken!
Erwin Perzy war Chirurgieinstrumentenmechaniker - und Erfinder. Bei der Suche nach Kaltlicht experimentierte er auch mit Schusterkugeln. Schusterkugeln sind wassergefüllte Glaskugeln, die wie eine Lupe wirken. Erwin Perzy fügte dem Wasser verschiedene Stoffe bei, die das Licht reflektieren sollten - unter anderem auch Weizen-Grieß, den er in der Küche seiner Mutter gefunden hatte. Als die Grießteilchen sich mit dem Wasser vollgesogen hatten, rieselten sie schön langsam herab. Das erinnerte ihn an Schneefall. Da er ein Modell der Mariazellerkirche für einen befreundeten Souvenirhändler bereits angefertigt hatte, gab er diese Kirche in die Kugel - die erste Schneekugel war geboren (Quelle)!
Er nannte seine Erfindung "Glaskugel mit Schnee-Effekt". Aufgrund dieser (und einer anderen Idee im Zusammenhang mit Bleigießen) wurde um 1900 das Unternehmen gegründet. Einige Jahre später erhielt Erwin Perzy sogar eine Ehrung des Kaisers für seine Arbeit. Nach dem 2. Weltkrieg übernahm sein Sohn, erweiterte das Sortiment an Motiven und exportierte Schneekugeln erstmals nach Übersee. Heute wird das Unternehmen in 4. Generation weitergeführt.
Das Museum ist vollgestopft mit allen möglichen Memorabilien und Werkzeugen, ohne jede erkennbare Systematik - ein wohltuender Gegensatz zu modernen Museumsdesigns, wo alles klinisch steril und unnatürlich ist.
Formen für die Glaskugelherstellung, die eigentlich keine Kugeln, sondern abgeschnittene Kolben sind. Heute werden die Glaskugeln aber nicht mehr selbst hergestellt, sondern zugekauft.
Schmelzofen zur Schmelzung der Zinnlegierung, mit der die ersten Formen gegossen wurden. Erst nach dem 2. Weltkrieg begann die Herstellung von Kunststoffteilen im Spritzgussverfahren.
Drehbank, die zwischen 1960 und 1990 benutzt wurde, um Formen herzustellen.
Verschiedene Typen von Sockeln. Die schwarzen wurden früher gemacht, indem man Holz mit Schuhcreme gebeizt hat! Heute ist natürlich Kunststoff Standard, Holzsockel gelten als Sonderanfertigung.
Eine Sammlung alter Modelle aus verschiedenen Materialien wie Wachs, Messing, Aluminium, Kunststoff und Holz, als Grundlage für die Herstellung von Gußformen.
Das Riesenrad war ein früher Verkaufsschlager, die Herstellung des Miniatur-Rads hat sich im Lauf der Jahrzehnte um Einiges geändert.
Es gibt fast kein Thema, das nicht im Lauf der letzten 125 Jahre "verschneekugelt" wurde, von Sigmund Freud´s Couch...
...über Städte wie z.B. Graz und seinem kuriosen Uhrturmschatten (@reiseamateur könnte mehr darüber wissen) ...
...bis zu Wanda oder den Simpsons.
Eine Sonderanfertigung für Präsident Reagan. In dieser Kugel ist seine Ranch, Rancho del Cielo in Kalifornien und sein roter Lieblingsjeep zu sehen.
Originell: Die Heroisierung (oder eher Ironisierung) der Klopapierrolle (als zu Coronazeiten plötzlich alle wie wild Klopapier horteten)!
Schneekugeln sind offenbar auch beliebt als Werbegeschenk. Hier ein Beispiel für einen Handyprovider, der Neuverträge vor 26 Jahren mit einer Mini-Schneekugel belohnt hatte.
Im Verkauf, einen Stock über dem Museum, werden heute 350 verschiedene Standard-Designs in 4 Größen (25, 45, 80 und 120 mm Durchmesser) angeboten. Daneben werden auf Anfrage Sonderanfertigungen gemacht (ab 1 Stück bis zu Tausenden). Heute werden die Modelle nicht mehr aus Zinnformen gegossen, sondern entstehen meist im 3D-Drucker (10 davon sind im Einsatz) oder in CNC-Fräsen.
Die Figuren werden auch heute noch teils händisch mit Acryllack bemalt (von ungarischen Heimarbeitern)! Die Grundfarbe mancher Motive kommt aber von einer Hochvakuumbedampfungsanlage.
Gefüllt werden sie nach wie vor mit Leitungswasser, ohne chemische Zusätze. Das Wasser ist alpines Hochquellwasser. Die Firma wollte einmal in ein größeres Gebäude umziehen, in "Transdanubien", aber dort wurde nach Tests das Wasser in den Schneekugeln nach ein paar Tagen braun (durch Bakterien unterhalb der höchstzulässigen Grenze), daher entschloss man sich, in Hernals zu bleiben.
Quellen:
https://schneekugel.at/geschichte
https://izi.travel/de/ff97-original-wiener-schneekugelmuseum/de
All pics by @stayoutoftherz (last one made with chatgpt)
Schneekugelmuseum:
Schumanngasse 87, 1170 Wien
Mo – Do von 9:00 bis 15:00, 1x/Monat "Open Friday"
https://schneekugel.at/
Sonderwünsche: office@viennasnowglobe.at
Und wie wäre es mit einer Hive-Schneekugel? Das wäre ein nettes Giveaway für ein weihnachtliches Meetup (oder einen Meetup-"Avatar" anstatt einer Wimpel oder eines Ständers). Ideen gäbe es viele!
Wer Interesse hätte, ich könnte ein paar machen lassen und je nach Bedarf verschicken! Ich muss nur das Problem lösen, wie man den in der Luft hängenden Teil fixiert 😄...