Liebe Leser, die Via sacra ist der älteste Pilgerweg in Österreich. Seit über 800 Jahren(!) kann man hier vom Brunn am Gebirge (südlich von Wien) bis zum Wallfahrtsort Mariazell pilgern. Wir begleiteten den Weg allerdings nur ein kleines Stückchen bei Kaumberg im Triestingtal. Der ganze Weg ist ca. 120 km lang und führt über mehrere interessante Orte und Gebäude, z.B. das Stift Heiligenkreuz, die Basilika von Klein-Mariazell (über die ich hier berichtet hatte), die Pfarr- und Wallfahrtskirche Annaberg und auch das Stift Lilienfeld.
Interessant in Kaumberg ist unter anderem der Faßbrunnen am Marktplatz, der früher die Einwohner mit Trinkwasser versorgt hatte.
Heute kann man daraus leider nicht mehr trinken (zumindest ist angeschrieben "Kein Trinkwasser"), dafür gibt es Zierkarpfen zu beobachten, die dort gemächlich ihre Kreise drehen.
Ausgangspunkt der Wanderung ist die denkmalgeschützte Wehr- und Pfarrkirche St. Michael, die im 12. Jhd. im gotischen Stil gebaut wurde, strategisch platziert auf einem kleinen Hügel.
Zwei Treppen führen hinauf. Hier der Blick vom Süden auf den Glockenturm, dessen wuchtige Gestalt auf die ehemalige Wehrfunktion hinweist.
Das Kreuzrippengewölbe stammt aus dem 14. Jhd. Zwischen 1955 bis 1959 wurde die Kirche generalsaniert.
Der Pilgerweg führt von dort östlich hinauf, Richtung Ruine Araburg, über idyllische Wiesen.
Das Wetter war, wie man es sich Mitte September nicht hätte besser wünschen können. Noch einmal konnten wir strahlenden Sonnenschein wie im Sommer geniessen (rechtzeitig vor einem Umschwung in Richtung Herbst mit tagelangem Regen und starker Abkühlung).
Ansonsten sieht man aber viele Anzeichen des Herbstes, wie die Blüten der Herbstzeitlose, die die Wiesen mit lila Flecken schmücken oder die reifen Kastanien, die nur darauf warten, dass ein Windstoß sie vom Baum schüttelt.
Blütenstände der Silberdistel (Carlina acaulis).
Was wie verwelkt aussieht, sind die bräunlichen Blüten der Blutroten Sommerwurz (Orobanche gracilis).
Wie alle Sommerwurzen ist sie ein Vollschmarotzer, der keine eigenen Chloroplasten hat und daher nicht selbst Photosynthese betreiben kann. Die Keimung der winzigen Samen, die über Wind verstreut werden, geschieht nur durch bestimmte Stoffe, Keimungsinduktoren, der Wirtsplanze (im Fall der Blutroten Sommerwurz sind das Klee und andere Schmetterlingsblüter). Erreicht die Keimwurzel (die gar nicht Nährstoffe aus dem Boden aufnehmen kann wie "normale" Wurzeln) eine Wurzel des geeigneten Wirts, dringt sie in diese ein und bildet ein Kontaktorgan, Haustorium genannt. Über dieses ernährt es sich dann vom Wirt.
Spirituelles auch am Wegesrand, an einem Pilgerweg nicht weiter verwunderlich.
Ein Wiesen-Bärenklau (Heracleum sphondylium).
Nicht zu verwechseln mit dem Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum), der aber viel größer wird und dessen Berührung strikt vermieden werden sollte. Der Riesen-Bärenklau stammt ursprünglich aus dem Kaukaus, wurde aber im 20. Jhd. in Europe gezielt angepflanzt aufgrund eines vermeintlichen wirtschaftlichen Nutzens (Bienenweide, Befestigung von Böschungen). Aufgrund seiner Invasivität und der gefährlichen Wirkungen am Menschen gilt er aber inzwischen als unerwünschter Neophyt und seine Anpflanzung ist z.B. in der Schweiz sogar verboten (Quelle)!
Die Blätter des Echten Beinwells (Symphytum officinale) sind vielfältig einsetzbar! Sie haben einen sehr hohen Anteil an hochwertigem Protein. Man kann sie in Teig backen oder zum Einwickeln benutzen.
Seit der Antike wurde Beinwell bei der Wundheilung eingesetzt und ist heute noch als Arzneipflanze zugelassen zur äußerlichen Behandlung bei Muskel- und Gelenkbeschwerden, Prellungen, Verstauchungen und zur Durchblutungsförderung (Quelle). Von einer innerlichen Anwendung sollte man besser Abstand nehmen wegen des Gehalts an möglicherweise krebserregenden Pyrrolizidinalkaloiden! Es wurde aber auch schon Arten gezüchtet, die diese Alkaloide nicht haben.
Mitte September wird es schon früh dunkel und die Schatten werden schnell länger.
Die Araburg, deren genaue Beschreiung aber für ein anderes Mal aufgehoben wird.
Leider hatten wir nicht genug Zeit, ein längeres Stück die Via sacra entlang zu wandern. Spätestens im nächsten Jahr werde ich das nachholen, denn der Weg ist wunderschön und erholsam für Körper und Geist.
All pics by @stayoutoftherz