1000 Gesichter der Inspiration: #005 Manuel Marinelli | Der junge Mann und das Meer

@theodora.austria · 2018-04-04 23:14 · inspiration

Über die 1000 Gesichter der Inspiration

Inspiration hat viele Facetten und noch mehr Gesichter: Künstler, aber auch Lehrer, Trainer, Eltern, Großeltern, Freunde, Nachbarn, Freiwillige inspirieren uns im Alltag, unser Leben und unsere Handlungen zu überdenken und die großen und kleinen Dinge des Lebens anzupacken. Wir alle leben von Inspiration. Wir tragen sie in uns. In meiner Reihe „Die 1000 Gesichter der Inspiration“ möchte ich euch Menschen vorstellen, die mich inspirieren – in der Hoffnung, dass sie mit euch dasselbe tun. Viel Spaß beim Lesen und beim Sich-Inspirieren-Lassen!

P3210489.JPG Manuel Marinelli an Deck: Auf seinem Schiff, der Independence, gibt er Forscher/innen kostengünstig die Möglichkeit, ihre Projekte umzusetzen und so mehr Wissen über Meeresbiologie zu schaffen. Foto: Project Manaia

Manuel Marinelli – der junge Mann und das Meer

Den Meeresbiologe Manuel Marinelli hat es aus dem schönen Kärnten mitten auf die sieben Weltmeere verschlagen. Mit seinem Forschungsschiff Independence gibt er Forschern die Möglichkeit, ihre wissenschaftlichen Projekte kostengünstig umzusetzen. Sein Ziel ist es, den Lebewesen im Meer den Lebensraum zu erhalten. Für seinen Kindheitstraum opfert er Urlaube und andere Annehmlichkeiten - und fand dadurch das Paradies auf Erden in Papua Neuguinea. Im Interview erzählt er über Mikroplastik und wie er auf einer Paddelfahrt durch die Donau bewiesen hat, dass die kleinen Partikel auch aus Binnenländern in den Ozean gespült werden.

Steckbrief

Name: Manuel Marinelli Jahrgang: 1983 Beruf: Ehm… Meeresbiologe, Taucher, Skipper von Independence, Deckhand,...

Wie die Verfolgung einer Gummiente zu spannenden Erkenntnissen führte

Hallo Manuel! Zuerst einmal danke, dass du dir für das Interview Zeit genommen hast. Bei Greenpeace hast du schon an Bord eines Schiffs mitgearbeitet – jetzt kurvst du mit deinem Project Manaia durch die Weltmeere. Wie kam es eigentlich dazu, dass du dein Leben dem Meer verschrieben hast? War das als Kind schon dein Traum? Der Traum wurde als Kind geboren… Wir waren in Sri Lanka auf Urlaub einen Onkel besuchen und ich habe damals mit fünf Jahren das erste mal Korallen gesehen und gesagt ich werde irgendetwas unter Wasser arbeiten. Für ca. 15 Jahre bin ich dafür belächelt worden - naja, der Meeresbiologe aus Österreich, eh klar - mittlerweile klappt's ganz gut :D

Das Project Manaia stellt Forschern auf hoher See ein Forschungsboot kostengünstig zur Verfügung. Das war sicherlich finanziell und bürokratisch ein riesiger Berg Arbeit. Wie bist du auf die Idee gekommen, dieses Projekt zu starten? Die Idee kam mir, beziehungsweise uns – es waren Studienkollegen mit beteiligt - während dem Meeresbiologiestudium in Kiel. Es war so schwierig auf ein Forschungsschiff zu kommen, und die Kosten liegen im fünfstelligen Bereich pro Tag, um ein solches Schiff zu mieten.

P1010833.JPG So ein Forschungsschiff ist eine durchaus kostspielige Angelegenheit. Das Project Manaia versucht, die Kosten für Forscher/innen möglichst gering zu halten. Foto: Project Manaia

Da wäre es doch bei vielen Dingen wie Planktonproben, Mikroplastik und sehr vielen anderen doch naheliegend ein kleineres Boot zu verwenden. Mittlerweile haben wir an Bord der „Independence“ ein kleines Labor mit Mikroskopen, Binokularen und sogar einem kleinen ROV (einem Unterwasser Roboter, der bis zu 200 Meter tief tauchen kann) eingerichtet. Je nachdem was gebraucht wird können wir auch noch mehr bieten – Videoequipment für unter und über Wasser und selbst aus der Luft. Damit lassen sich beispielsweise Riffe und Seegraswiesen großartig kartieren!

Du bist ja einen Gutteil des Jahres auf hoher See unterwegs. Wo befindest du dich gerade und woran arbeitest du zurzeit? Im Moment in der Türkei, leider am Trockenen. Wir machen gerade eine kleine Wartungsperiode durch, aber mit Mitte April sind wir spätestens wieder im Wasser. Danach geht’s nach Kreta, um beim Aufbau eines Schutzgebietes zu helfen, danach schwebt uns vor eine kleine Doku über invasive Arten im Mittelmeer zu machen. Kugelfische sind hier geradezu ein Plage ohne Feinde. Und noch einiges mehr steht am Plan, aber für weitere Updates kann man einfach immer wieder bei YouTube oder auch der Webseite reinschauen!

Vermisst man eigentlich irgendetwas, wenn man so wie du monatelang auf dem Wasser ist? Vermissen… Jein. Ich muss gestehen der Geschmack von Leitungswasser geht mir immer wieder ab. Entsalztes Trinkwasser ist einfach... nicht ganz das Wahre. Fernsehen, Radio, Werbung, Shopping etc. waren nie meine großen Leidenschaften, von daher hab ich kein Problem damit, darauf zu verzichten.

Was ist dein Lieblingsplatz auf der Welt und warum? Mein persönliches Paradies habe ich in Papua Neuguinea gefunden. Dort habe ich vor sieben Jahren ein Dorf besucht das meiner Vision eines Paradieses schon SEHR nahe war: Glückliche Menschen, Früchte die überall wachsen, kleine Auslegerkanus mit Segeln, kein Strom, kein Internet oder sonstiges. Aber ein Dorf im Urwald, direkt am Meer mit Frischwasserlagune vor weißem Sandstrand… Schwer zu übertreffen!

6529367_20171113045817478_1_XLARGE.jpg Das Leben auf See war Manuels Kindheitstraum. Er hat ihn sich verwirklicht und setzt sich dabei für die Umwelt ein. Foto: Project Manaia

Was waren im Rahmen deiner Tätigkeiten eigentlich die für dich erschreckendsten Momente bisher? Ich fand besonders Einstellungen von Menschen - oder ganzen Menschengruppen - Ignoranz und Verständnisprobleme immer wieder sehr erschreckend. So ist es in den meisten Fällen unmöglich einem Fischerikonzern oder auch einem kleinem Fischer zu erklären, dass wenn jetzt viel gefischt wird seine Kinder nichts mehr fischen können. Es scheint einfach nicht in uns zu stecken, mehr als eine Generation vorauszudenken - wenn überhaupt so viel.

Oder auch jetzt wieder: Wir haben das Angebot ausgeschrieben, unsere Independence für winzige Beträge - im Grunde nur für die laufenden Kosten - für gute Projekte zur Verfügung zu stellen. Die meisten Reaktionen waren etwas wie: „Wo ist der Haken?“ oder „Was steckt für dich drin?“ Und die anderen waren Vorschläge wie: „Wir würden gerne in die Südsee segeln.“ Leider beides nicht hilfreich. Zum Glück gibt es aber noch die fünf Prozent dazwischen, die tatsächlich großartige Projekte auf die Beine stellen wollen und sich an uns wenden!

Was sind die Momente für die du lebst, wenn du da draußen unterwegs bist? Für mich sind es die großen und kleinen Erfolge! Auch wenn der „Kampf“ mitunter Jahre dauern kann - am Ende, sofern man nicht aufgibt, gewinnt man. Unser letzter großer Erfolg als Project Manaia war, dass wir ein Schutzgebiet in Myanmar aufbauen konnten. Wir haben den ersten Korallengarten der ganzen Andaman See aufgebaut, die ersten Zuchtstätten für Korallen in dem Gebiet, und damit sind wir Vorreiter für ein ganzes Meer, wenn es um die Erhaltung der Korallenbestände geht. Schon etwas, worüber man sich sehr freuen kann und auch mal kurz ein Bier auf den Erfolg trinkt.

Was waren bislang die größten Herausforderungen für dich und dein Projekt? Zwei Dinge in Wirklichkeit: Einerseits ist die Finanzierung immer ein großes Problem – aber eines das man mit viel Durchhaltevermögen auf Kosten seiner Freizeit, Urlaube, Eigentum und so weiter lösen kann. Project Manaia wurde die letzten sechs Jahre zu ca 95% aus meinem Einkommen (wiederum ein nicht großartiges NGO-Einkommen) finanziert.

Andererseits die ganz große Herausforderung überzeugend zu sein und zu bleiben. Natürlich glaubt man an das was man tut, keine Frage, sonst wäre ich nicht hier! Und es ist auch oft einfach, Anhänger und Zustimmung zu finden. Der Trick ist, sich genau die Kritiker zu suchen und mit ihnen zu diskutieren. Wenn man die erst überzeugen kann, ist man einen großen Schritt weiter. Und leider werden gerade diesen Leuten immer 1000 Gruende einfallen, warum man in ihren Augen gerade etwas richtig Blödes macht. Also überlegen, durchatmen, antworten, weitermachen!

P3210486.JPG Weitermachen ist Manuels Devise. Foto: Project Manaia

Du erzählst über deinen Vlog INDEPENDENCE for RESEARCH at SEA- PROJECT MANAIA regelmäßig über das Schiff und wo ihr gerade unterwegs seid. Auch einen TEDx Talk kannst du verzeichnen. Passiert denn im Bereich Meeresbiologie und vor allem Meeresschutz schon genug Informationsarbeit? Es passiert mehr und mehr. Von genug kann aus meiner Sicht noch keine Rede sein. Es gibt tausende Themen, die behandelt werden müssten und die Menschen bewusst sein sollten. Wie zum Beispiel Mikroplastik, das über Meersalz aber auch Fisch seinen Weg zurück in unsere Körper findet. Oder dass Thunfisch und Lachs extrem ungesund, ja eigentlich sogar giftig, sind. Zum Glück haben wir dieser Tage Zugang zu einer Unmenge an Informationen, Videos, Blogs - leider ist sehr viel davon gefüllt mit Dingen, die die Welt nicht braucht. Das ist, zugegeben, meine persönliche Ansicht. Die Kunst wäre es, den richtigen Filter zu finden und sich in eine gute Richtung schlau zu machen.

Österreich hat ja – wie viele andere Länder auch – keinen direkten Zugang zum Meer. Was sagst du Leuten, die meinen, dass sie als Bewohner/in eines Binnenlandes keine Möglichkeit haben, das Meer zu schützen? Nur weil man selbst nicht den Meerblick hat bedeutet das nicht, dass man nicht einen persönlichen Einfluss hat! Zum einen konsumieren die Österreicher genauso wie alle anderen Menschen Fisch aus dem Meer. Nachfrage regelt die Produktion! Und zum anderen ist auch unser Konsumverhalten entscheidend! Einwegplastik findet auch aus Österreich seinen Weg ans Meer. Um das zu beweisen, sind wir mit einem Freund sogar einer Gummiente von Wien aus bis ins Schwarze Meer hinterher gepaddelt – und sie hat es geschafft!

P1010842.JPG Noch ist Pause für Reparaturen, aber bald fahren Manuel und die Independence wieder durch die Meere. Foto: Project Manaia

Bei all den Aktivitäten, die du setzt, hat man das Gefühl, dass du unendlich viel Kraft und Energie hast. Woher schöpfst du die Energie und Ideen? Und: Gibt es für dich überhaupt so etwas wie Urlaub? Ich muss gestehen die Idee von Urlaub klingt verlockend und ich wuerde mir den Luxus gerne mal gönnen. (Falls das ein Reisebüro liest: Am Meer, ruhig, warm und ein gemütliches Plätzchen zum Schlafen wäre super!) Leider ist im Moment Project Manaia „quasi“ mein Urlaubsprojekt. Ich arbeite für Greenpeace um Geld zu verdienen und treibe mit dem Geld dann wieder die Arbeit hier voran. Und die Erfolge können sich sehen lassen! Genau das ist es, was mir Antrieb gibt.

Das und auch immer wieder Nachrichten von Menschen, die einfach helfen wollen. Wir haben ja unsere Patreon Seite, bei der auch jeder Unterstützung senden kann. Erst letzte Woche hat ein Freund von mir dort auch für zehn Euro im Monat Unterstützung zugesichert, obwohl ich weiß, dass er immer pleite ist. Als ich ihn gefragt habe, warum er das macht meinte er nur: “Hier kann ich genau sehen was mit dem Geld passiert, was du kaufst, was ihr macht und ich sehe, dass etwas passiert. Bei Greenpeace, WWF und so weiter unterschreibe ich einen Vertrag und bekomme eine Weihnachtskarte.“ Andere - fremde - Menschen haben uns ein Paket mit Werkzeug geschickt, weil sie in den Videos gesehen haben, dass wir nicht sehr viel haben. Diese Dinge geben mir wieder Energie!

Was ist dein persönliches Lebensziel – oder anders gefragt: Was willst du am Ende deines Lebens erreicht haben? Ich will meinen (Enkel-) Kindern in die Augen sehen können wenn sie fragen, warum die Welt so ist wie sie ist. Auch wenn ich hoffe, dass sie wunderschön und kerngesund sein wird habe ich die Befürchtung, dass wir auf einem Abwärtsritt sind. Und im schlimmsten Fall kann ich immer noch sagen ich habe alles versucht das in meiner Kraft lag. Und das ist sehr viel mehr als viele sagen können.

"Das Meer ist für mich Heimat."

Bitte vervollständige diese sieben Sätze spontan. 1) Natur ist… unberührt. 2) Das Meer ist für mich… Heimat 3) Könnte ich nochmal von vorne anfangen würde ich… hoffentlich die gleichen Fehler wieder machen. 4) Liebe ist… wunderschön. 5) Mein Antrieb ist… Hoffnung. 6) Ich liebe was ich tue, weil… der mögliche Erfolg all die Mühen wert ist. 7) Meine goldene Regel ist… niemals den gleichen Fehler zweimal machen. Dafür gibt’s zu viele.

Wie du Manuel Marinelli und sein Project Manaia beim Erforschen und Erhalten der Meere unterstützen kannst? * Teile die neuesten Vlog-Beiträge von Project Manaia. * Folge dem Project Manaia auf Facebook, Instagram, Twitter und LinkedIn. * Du hast ein paar (Steem) Dollars, die du gerne in das Projekt stecken möchtest? Auf Patreon hast du die Gelegenheit dazu! Es warten einige coole Goodies wie zum Beispiel eine Woche mit Manuels Team auf der Independence auf dich.

0001Opener.png Logo zur Verfügung gestellt von Project Manaia

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