Gehirnschrott für den D‑A‑CH‑Verband

@w74 · 2025-08-22 06:31 · Deutsch D-A-CH

Mein persönlicher Umgang mit aufdringlichen Gedanken.

Als ich das leere, makellos weiße Papier vor mir hatte, musste ich sofort einen Grenzstein in das Brachland rammen, um die Berechtigung zur unbeschränkten Bearbeitung des Terrains zu erlangen. Dies funktioniert nur mit einer Namensgebung der neuen Parzelle. Gedankenschrott empfand ich als passend.

Wann und wer unter euch von Gott Auserwählten hat zuletzt den Glauben an die Menschheit verloren? Oder ist vom Gefühl anheim gesucht worden, dass da jemand ausgiebigst auf seiner Nase herumtanzt? Möglicherweise gar, abwechslungsreich, allerdings in straffen Zyklen eingebettet, einem der Schalk, genauer gesagt die Panik im Nacken sitzt? Wenn hinter jedem dieser Fragezeichen ein unzweideutiges »Hier kann ich mich einreihen« oder »exakt mein Fachbereich« erfolgt, müsste spontan beim Betroffenen das Gefühl entstehen, etwas Wichtiges verpasst zu haben, da man im Alltag solchen Redewendungen üblicherweise die kalte Schulter zeigt, und sich somit (unter Berücksichtigung dieser Sachlage) die Frage aufdrängt, wieso die Denkfabrik im Hinterkopf eigenmächtige Entscheidungen trifft und dich nahezu unvorbereitet mit dem populären Volksmund konfrontiert? Erschwerend und suspekt gleichermaßen, gesellt sich hinzu, dass jede dieser Phrasen, gesondert begutachtet, auf recht instabilen Beinen zu stehen scheint.

Wie macht er sich überhaupt bemerkbar, der Glaubensverlust an die Menschheit? Es machen sich doch bereits erste Körner Sand im Getriebe bemerkbar, wenn es um die Definition des Substantivs »Glaube« geht (inklusive aller im Duden gelisteten Glaubensbrüder), die wiederum äußerst unterschiedlich ausfallen kann. Für mich gilt hier vorrangig die Regel: »Wenn jemand glaubt, etwas zu wissen, dann weiß er mit enorm hoher Wahrscheinlichkeit nämlich überhaupt nichts.«

Ein brauchbares Beispiel für diese wissenschaftlich unerforschte These liefert uns Renata (84), die sich noch spät am Nachmittag verzweifelt auf der Suche nach ihren auswechselbaren Zähnen befindet. Ihren eigenen Angaben folgend, glaubt sie, zu hundert Prozent sicher zu sein, die mit Keramik bestückten Halbmonde am gestrigen Abend neben dem Handwaschbecken im Badezimmer abgelegt zu haben. Dieser fest verankerte Glaube veranlasst Renata auch (inzwischen nahe dem Verlust der Hoffnung auf göttliche Eingebungen in schwierigen Zeiten), den vergilbten Plastikdeckel ihrer Toilette anzuheben, um nur ja auf Nummer sicher zu gehen, was ihrer schwer zu akzeptierenden Schludrigkeit (inklusive Vergesslichkeit) geschuldet ist. Doch, anstatt sich an den festen Glauben zu klammern, sollte meine Nachbarin vielleicht besser im Brotkorb nachschauen, wo sich die so sehr vermissten Kaufhilfen eng an das gestrig angeschnittene Weißbrot schmiegen. Wie in vergleichbaren Situationen vorstellbar, böte sich ein Abstandhalten vom festen Glauben an und lieber den Spuren der unstillbaren, täglichen Gelüste Folge zu leisten.

Mit dem verlorenen Glauben in Bezug auf die Menschheit verhält es sich dann doch etwas anders. Den kann man, im Gegensatz zum Zahnersatz, nicht grundsätzlich und endgültig verlieren, da es genügend Exemplare in diesem Verbund gibt, unter denen sich stets eines findet, das klare Gedanken auch über den Horizont hinweg transportieren kann. Derartige »Hoffnungsträger« unter den Zweibeinern können je nach Geschmack problemlos und ohne Versandkosten ausgesucht und ausgetauscht werden. Vor nur wenigen Tagen fiel meine Wahl diesbezüglich auf den deutschen Kulturstaatsminister Wolfram Weimer, der (gänzlich unüblich für einen Politiker) ohne aufwendiges Medien-Tamtam die Direktive für die Mitarbeiter in „seinem“ Ministerium ausgab, ab sofort auf das Gendern im Umgang mit der deutschen Sprache zu verzichten. Sternchen, Unterstrich, Doppelpunkt und ähnlicher Humbug befinden sich nun im einstweiligen Ruhestand. Somit kann sich Herr Weimer momentan (Abruf nicht ausgeschlossen) als meinen ehrenamtlichen Glaubensstabilisator im Hinblick auf die Menschheit betrachten.

Da es vom Kopf bis zum Nacken nicht sonderlich weit ist, riskiere ich noch einen kleinen Abstecher in jene Region, von der der Volksmund behauptet, dort bisweilen den als närrisch kapriziösen abgestempelten Alfred Schalk oder die als hypernervös und den Weltuntergang prophezeiend geltende Elvira Panik antreffen zu können. Ich neige oft dazu, solchen Lebensschnittgefährten wie Schalk und Panik, mit Vornamen zu versehen, da sie mir dadurch greifbarer erscheinen. Und wer hat schon gern jemanden an der Backe kleben, von dem man bis jetzt nicht einmal den Vornamen kennt?

Was mich allerdings an der Situationsbeschreibung mit dem »im Nacken sitzen« stört, ist die offensichtlich irreführende Verwendung der verschmolzenen Präposition „im“. Denn Alfred und Elvira können mir neben oder am Nacken sitzen, doch mit der Ansiedlung innen drin, dürfte es schwierig werden. Außer bei den beiden Herumtreibern handelt es sich um Spezialisten für Halswirbelveränderungen oder schmerzhafte Muskelverspannungen am Atlas. Doch neige ich dazu, dies ausschließen zu können, da ich Herrn Schalk und Frau Panik recht gut kenne, und sie sich, bei unseren gemeinsamen Reisen, nicht durch eine fundierte medizinische Diagnostik einen Platz in meinen Erinnerungen ergattern konnten.

Vollkommen egal, wie viel Gehirnschmalz jemand bereit ist, in eine wissenschaftlich verwertbare Studie zu investieren, die den Nachweis zu erbringen gedenkt, dass das »Tanzen auf der Nase« als eine olympische Disziplin in Erwägung gezogen werden kann, basiert meine Einschätzung eher auf einem ganz pragmatischen Fundament. Denn wer lässt sich freiwillig den eigenen Riechkolben malträtieren, ohne Aussicht auf eine daraufhin bessere Belüftung? Zudem stellt sich mir die Frage: Wer bietet mit der Dimension seiner Nase das nötige Parkett für den Tango, Cha-Cha-Cha oder einen Quick-Step? Experten, die dringlichst davor warnen, die eigene Nase von solchen Vorhaben verschont zu lassen, hegen keine Scheu, auf die markanten Nebenwirkungen einer derartigen Tanzeinlage hinzuweisen. Stets dabei an erster Stelle: die nicht zu vermeidende Perforation der Nasenflügel, was beim anschließenden Einziehen von Schnupftabak oder Kokain oder Muskat-Pulver zu Irritationen im Durchzug führen kann. Mein Ratschlag daher: Es gibt bessere Stellen an unserem Körper, die für akrobatische Übungen geeignet sind.

Zum Abschluss noch die Beschreibung eines Vorgangs, an dem ich aber auch rein gar nichts zu kritteln habe. Denn, wenn meine Frau mich »unter ihre Fittiche« nimmt, ist in der Regel viel Wärme und Wohlgefühl angesagt. An diesem Punkt nehme ich nebenwirkungsfrei Abstand von überlieferten Erklärungen, die bis zum Alten Testament zurückreichen, und gebe mein Vertrauen fast zeitnah in die Hände von Rod Steward, der in seiner musikalischen Komposition »Tonight‘s The Night“ das mit dem Unter-die Fittiche nehmen so besingt:

C'mon, angel, my heart's on fire Don't deny your man's desire You'd be a fool to stop this tide Spread your wings and let me come inside, 'cause Tonight's the night It's gonna be all right 'Cause I love you, girl Ain't nobody gonna stop us now

Den Schlusspunkt setzt allerdings nicht der Mann aus Schottland, sondern eine Künstlerin, die in Kürze noch mehr Aufmerksamkeit in der Jazz-Matinee erfahren wird.

https://www.youtube.com/watch?v=vxgiy35i748&&ab_channel=MiriamHanika

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