Aufklärung und Aufarbeitung

@zeitgedanken · 2025-09-15 12:29 · Deutsch D-A-CH

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Macht, Pandemie und die Frage nach Verantwortung

Einleitung: Mehr als eine Krankheit

COVID-19 war nicht nur ein medizinisches Ereignis, sondern ein globaler Stresstest für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundrechte wurden eingeschränkt, ganze Branchen stillgelegt, Vertrauen in Institutionen erschüttert. Die Pandemie machte sichtbar, wie tief eingeübte Strukturen von Macht und Verwaltung wirken – und wie schwierig ihre nachträgliche Aufarbeitung ist. Zwei Ebenen greifen ineinander: die vorgeprägte Logik durch Planspiele und Krisenübungen sowie die institutionelle Rechenschaft, die nun in Parlamenten und Rechnungshöfen beginnt.

Planspiele vor der Pandemie – das geübte Drehbuch

Noch bevor das Virus 2020 Realität wurde, hatten Regierungen, Stiftungen und Organisationen eine Serie von Krisensimulationen durchgeführt:

  • SPARS Pandemic (2017, Johns Hopkins): Szenario einer globalen Atemwegspandemie, mit Fokus auf Social Media, Gerüchtebildung und staatlicher Risikokommunikation.
  • Clade-X (2018, Johns Hopkins, Simulation in Washington): Übung zur politischen Koordination bei einem neuartigen Virus – mit Betonung von Lieferketten und Impfstoffentwicklung.
  • Event 201 (Oktober 2019, Johns Hopkins, Weltwirtschaftsforum, Gates-Stiftung): Planspiel zu einer weltweiten Corona-ähnlichen Pandemie. Schwerpunkte: internationale Koordination, wirtschaftliche Folgen, Kommunikation.
  • Blue Orchid(e) (EU-Planspiel, 2019): Simulation in Europa, die Kommunikationsketten, Zuständigkeiten und Entscheidungswege innerhalb der EU-Institutionen testete.

Gemeinsam ist all diesen Übungen: Sie setzten auf Kommunikationskontrolle, öffentlich-private Kooperation und klar definierte Entscheidungswege. Genau diese Module tauchten später eins-zu-eins in der Realität auf.

Das bedeutet nicht zwingend, dass „die Pandemie geplant“ war. Aber es zeigt, wie Pfadabhängigkeit entsteht: Wer bestimmte Szenarien wiederholt einübt, wird im Ernstfall genauso reagieren. Die Bevölkerung wusste von diesen Vorübungen nichts – sie wurde erst mit der Realität konfrontiert, nicht mit den schon vorhandenen Drehbüchern.

Vielleicht wurde die Pandemie nicht als „Weltproblem“ geplant, aber die Gelegenheit wurde genutzt, um bestimmte Zwecke zu verfolgen: zur Durchsetzung von Steuerungsmechanismen, zur Marktordnung, zur Einführung neuer Technologien oder zur Verschiebung von Machtarchitekturen.

Praxis 2020–2022 – die Übernahme der Muster

Als COVID kam, sah man die Übungsbausteine eins-zu-eins umgesetzt:

  • Risikokommunikation: „Infodemie“-Rahmen, kuratierte „Trusted Voices“, Kooperation mit Plattformen.
  • Öffentlich-private Beschleunigung: Vorabkauf, Abnahmegarantien, prämierte Produktionskapazität.
  • Verhaltenslenkung: Zutrittsregime, Nachweispflichten, digital kontrollierbare Ausnahmen.
  • Föderale Friktion: Kompetenzstreit – genau der Stoff, den Übungen vorher identifiziert hatten.

Die moralische Erzählung lautete „Wir retten Leben“. Die institutionelle Realität war eine Kapitalarchitektur:

Risiken wurden sozialisiert, Renditen privatisiert. Internationale Vorabkäufe und Abnahmegarantien ermöglichten zweistellige Unternehmensgewinne – nicht durch Zufall, sondern durch Struktur. Der Körper selbst wurde zum Verwaltungsobjekt, Kategorien wie „berechtigt/nicht berechtigt“ zu Steuerungsinstrumenten. Kontrolle bedeutete messen, steuern, nutzen – auf einer biopolitischen Ebene, die tiefer reichte als frühere Krisen.

Aufarbeitung – erste Schritte in Parlamenten und Rechnungshöfen

Erst Jahre später beginnt die institutionelle Rückschau. In Deutschland wurde am 10. Juli 2025 eine Enquete-Kommission eingesetzt: 14 Abgeordnete und 14 Sachverständige sollen bis 2027 eine umfassende Aufarbeitung vorlegen. Vorarbeiten wie der Sachverständigenbericht nach § 5 Abs. 9 IfSG (2022) hatten bereits Mängel in Datenlage und Evaluation benannt.

Österreich

verzichtete auf eine parlamentarische Enquete, setzte jedoch den Rechnungshof in den Mittelpunkt. Dessen Bericht zu den Massentests bezifferte allein bis 2022 Kosten von mindestens 5,2 Mrd. € und kritisierte fehlende Steuerung und Transparenz. Ergänzend legte das Fachgremium GECKO operative Lageberichte vor – ohne eigentliche Rückschau.

Auf EU-Ebene

schloss der Sonderausschuss COVI im Juni 2023 seinen Bericht ab. Der Europäische Rechnungshof veröffentlichte Sonderberichte zur Impfstoffbeschaffung (2022) und zu Leistungsfähigkeit von ECDC/EMA (2024). Hinzu kam ein Urteil des Gerichts der EU (Mai 2025), das die Weigerung der Kommission verwarf, SMS von 2021 zur Impfstoffbeschaffung offenzulegen – ein Signal für Transparenzrechte.

Vergleichsländer zeigen ähnliche Muster:

  • UK: COVID-19 Inquiry mit Systemkritik („groupthink“, Fehlannahmen).
  • Schweden: Coronakommission, Kritik an Schutz vulnerabler Gruppen.
  • Dänemark: Mink-Kommission, Vernichtung aller Nerze ohne Rechtsgrundlage.
  • Niederlande: Enquete seit 2024, Fokus auf Grundrechtsabwägungen.
  • Italien: Untersuchungskommission seit 2024, politisch umstritten.
  • Norwegen: Abschlussbericht 2022, Lehren für die Zukunft.

Das Mini-Fazit:

Europa betreibt Aufarbeitung in drei Modi – parlamentarische Inquiries, rechnungsprüferische Berichte, institutionelles „Weiterdrehen“ (Agenturreformen). Deutschland startet spät, Österreich stützt sich auf den Rechnungshof, die EU ringt mit Transparenz. Muster und Bestätigung Die Aufarbeitung bestätigt, was die theoretische Analyse bereits zeigte: - Datenmangel und Kommunikationslenkung werden in Berichten ausdrücklich kritisiert. - Kostenexplosionen und Intransparenz bei Test- und Impfprogrammen entsprechen genau der kapitalarchitektonischen Diagnose. - Verantwortungsdiffusion – ob in föderalen Kompetenzstreitigkeiten oder in EU-Verträgen – war keine Panne, sondern Teil des Systems.

Die Enqueten und Berichte dokumentieren heute offiziell, was in den Strukturen längst angelegt war:

Machtbündelung über Daten und Zugänge, Risikoabwälzung auf die Allgemeinheit, Privilegien für zentrale Akteure.

Ausblick: Leitplanken der Aufklärung

Die Lehre aus der Verbindung von Planspiel und Praxis ist klar: Machtkonzentration folgt bekannten Mustern. Aufgabe der Aufarbeitung ist es, Leitplanken einzuziehen, bevor sich dieselben Muster wiederholen.

Zehn Eckpunkte sind zentral:

Grundrechte ohne Notausgang; Transparenz by Design; Zensurverbot und pluraler Diskurs; symmetrische Risikoteilung; offene Wissenschaftstagebücher; Sunset-Klauseln; Verbot verdeckter Verhaltenslenkung; auditierbare Algorithmen; Dezentralität; Whistleblower-Schutz.

Am Ende steht die Frage:

Wer spielt wen? Die Pandemiepolitik erschien wie das Ergebnis eines Betriebssystems aus Verwaltung, Kapital und Kommunikation. Aufklärung heißt, dieses Betriebssystem sichtbar zu machen – und Grenzen zu setzen, bevor Grenzen uns setzen.

Quellenverzeichnis

Deutschland

Bundestag – Einsetzung Enquete-Kommission (10.07.2025) BMG – Sachverständigenausschuss IfSG, Evaluationsbericht (30.06.2022, PDF)

Österreich

Rechnungshof – Bericht „Bevölkerungsweite COVID-19-Tests“ (Reihe BUND 2023/19; III-985 d.B.) Rechnungshof – Pressemitteilung zu Kosten (≥ 5,2 Mrd. €) BKA – Ministerratsvortrag zum RH-Bericht (12.01.2024, PDF) GECKO – Executive Reports 2022/23

EU

Europäisches Parlament – Sonderausschuss COVI, Abschlussbericht (26.06.2023) Europäischer Rechnungshof – Sonderbericht 19/2022 (Impfstoffbeschaffung) Europäischer Rechnungshof – Sonderbericht 12/2024 (ECDC/EMA) EuG/Curia – Urteil zu SMS von der Leyen / Pfizer (14.05.2025)

Vergleichsländer

UK COVID-19 Inquiry – Modul 1 „Resilience & Preparedness“, Bericht vom 18.07.2024 UK-Regierung – Modul 1 Überblick Schweden – Coronakommission, Schlussbericht SOU 2022:10 (Februar 2022) mit englischer Zusammenfassung Norwegen – Koronakommisjonen, Abschlussbericht 2022, englische Zusammenfassung Dänemark – Mink-Kommission, Bericht 30.06.2022 Niederlande – Parlamentarische Enquête seit 06.02.2024 Italien – Parlamentarische Untersuchungskommission, Gesetz Nr. 22/2024

Eigene Analyse

„Planspiel & Praxis – Eine Aufklärung über Macht, Kontrolle und die Pandemie“ (Autor: Zeitgedanken, 14.09.2025)

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