und sich der Vorhang öffnet.
In der Frühe, wenn die Sonne ganz langsam ihr loderndes Haupt über den Rand unseres Planeten schiebt, die Hitze also noch erträglich ist, genau dann packe ich sie an, die Arbeiten, bei deren Anblick mir bereits der Schweiß die Stirn überflutet. Doch, entgegen der nun gehegten Vermutung, es bedürfe viel Willenskraft, mich diesen körperlichen Torturen zu stellen, passiert genau das Gegenteil und ich gehe mit vollem Elan an die Sache ran. Fortan alleine mit meinen Gedanken, die sich mit allem, nur nicht mit dem beschäftigen, was sich in der Realität abspielt. Sie bevorzugen es, die skurrilsten Wettkämpfe in meinem Kopf auszutragen und ich lasse mich liebend gerne von ihnen verführen. So gleite ich ab in diese kleine Welt der Überraschungen.
Kaum habe ich meinen Platz auf der Empore eingenommen, beginnt auch schon die Vorstellung. Um nur ja ihren einzigen Zuschauer nicht gleich wieder zu verlieren, ziehen meine Gedanken alle verfügbaren Register ihres beinahe unerschöpflichen Repertoires. Sie vollführen die verrücktesten Kapriolen, werden zu hinterlistigen Gaunern, zum gewitzte Schlawiner, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, wie beispielsweise Politiker, die bekanntermaßen ihre Nase sowieso immer in die erste Reihe schieben möchten. Bei aller Spontanität der Gedankensprünge, geht es vorrangig ums Präsentieren, Exhibitionieren und den Versuch, jedes einzelne dieser Bretter auszukosten, von denen der engagierte Akteur der Meinung ist, dass sie die Welt bedeuten.
Da ich längst diese Vorstellungen zu schätzen weiß, schien es mir irgendwann nur logisch, möglichst rasch ein Jahresabonnement für dieses Kopf-Theater zu ergattern. Selbstverständlich immer den Respekt gegenüber den Protagonisten wahrend, ist es durchaus normal, wenn ich bei so mancher Vorstellung plötzlich herzhaft lache, auch mal ein paar Tränen vergieße, ganze Dialoge nachplappere und Gesangsdarbietungen, meist mehr schlecht als recht, mitsinge. Nicht verschweigen möchte ich hierbei, dass ich mir mit diesen spontanen Ausbrüchen überschwänglicher Begeisterung so manch tadelnden Blick der Akteure einfing, die sich mitunter durch meine Zwischenrufe und den stümperhaften Gesang in ihrer Kunst des Darstellens nicht nur gestört, sondern regelrecht verarscht fühlten. Es kam auch schon vor, dass sie, nach einem solchen, von mir provozierten Eklat, sich prompt und dazu auch noch grußlos von der Bühne verabschiedeten und anschließend, trotz demütiger Bittgänge meinerseits, für längere Zeit nicht mehr dort sehen ließen. Jedoch, wie wohl auch nicht anders zu erwarten, findet man auch Ausnahmen unter diesen sensiblen Mimosen. Fündig wird man hier am ehesten bei den Politikern, die sich auch durch heftigste Beschimpfungen nicht von der Bühne vertreiben lassen. Es scheint eher, sie wirken wie Balsam auf ihren abgebrühten Seelen. Buhrufe und Pfeifkonzerte bringen sie gar meist erst so richtig auf Touren. Ein passendes Exemplar aus dieser Sparte scheint mir eine gewisse AKK, eine eher wenig begabte, ehemalige Statistin, die es auf mysteriöse Weise zur Leiterin eines meiner gedanklichen Politikensembles geschafft hat. Diese drei Großbuchstaben habe ich schon x-mal ausgepfiffen, beschimpft und mit schlechten Kritiken von der gedanklichen Bühne gescheucht. Doch bereits bei der ersten, sich anschließenden Gelegenheit steht sie schon wieder in der ersten Reihe und rezitiert wenig ausgereifte Monologe aus dem Fundus, der seit Konrad Adenauer nicht mehr entstaubt wurde. Gegen solche Akteure ist fast kein Kraut gewachsen. Doch habe ich das Gefühl, als habe sie in der laufenden Spielsaison erhebliche Probleme bei der Rollensuche. In der ersten Reihe taucht sie jedenfalls nur noch selten auf. Alles deutet darauf hin, als habe sie sich zu sehr auf das verlassen, was sie auf der Schauspielschule in der südwestlichen Provinz gelernt hat, anstatt die paar Meter weiter über die Grenze zu schlendern und (als es noch möglich war) am Saumagen-Theater von der Pike auf zu erfahren, was es braucht, um eine Bühne ganz alleine so auszufüllen, um nur ja keinem anderen Akteur eine Chance zur Profilierung zu bieten. Aber lassen wir dieses Thema, denn heute läuft eine ganz andere Aufführung.
Da war doch mal … die Lebenspartnerin unseres Präsidenten, die sich während eines Besuches bei den Oberammergauer Festspiele den Walkman (Erklärung des Drehbuchautors: so hießen die MP3-Player vor ewigen Zeiten) einstöpselte, eine Kassette (das sind so Dinger, mit denen hervorragend Bandsalat zubereitet werden konnte) einschob und sich an den Brandenburgischen Konzerten in der Interpretation von 'The Nice' erfreute. Derweil überraschte Barbara die Buschige (seinerzeit noch in Amt und Würden als Vorfrau für alle vereinigten Nordamerikaner) ihren persönlichen Dolmetscher, auf dem eigens mitgeführten Präsidentenklo, mit dem Bekenntnis, dass der nonverbale Verkehr mit ihm doch mehr Spritzigkeit besäße, als George der Oberbush ihr jemals verfassungsmäßig dargeboten habe. Beide First Ladies trafen sich nach der Vorstellung noch unterm Kreuz, an dem noch immer der Hauptdarsteller hing, entzündeten einen prall gefüllten Joint und tauschten lachend ein paar Backrezepte aus.
Auch nicht von schlechten Eltern … der Auftritt des betagten Fackelläufers, dem die Ehre zuteil wurde, die olympische Flamme zu entzünden. Dieser, im Vorfeld oftmals geprobte Akt, erfuhr bei seiner Aufführung eine ungeahnte Wende, die dem olympischen Gedanken schwere Depressionen bescheren sollte. Anstatt überschwänglichen Jubel im vollgepackten Stadion, empfingen unüberhörbare Sprechchöre aus der Linkskurve den Gebrechlichen mit Forderung, zur längst überfälligen Dopingkontrolle zu erscheinen. Auch die unbeholfen lächelnden Sicherheitskräfte und die verdutzt dreinschauenden Offiziellen mit den nach unten fallenden Kinnladen, von aller Welt auf den Fernsehschirmen zu beobachten, konnten nichts an der Tatsache ändern, dass die das Verlangen des Publikums unüberhörbar anschwoll. Hoffnung bestand lediglich in der Aussicht, der Fackelläufer möge sein stark beeinträchtigtes Hörvermögen möglichst nicht gerade jetzt wiedererlangen. Dieser, auf das fortgeschrittene Alter zurückzuführende Makel, veranlasste den Fackelträger seinen Rundlauf zu unterbrechen und sich bei einem Platzordner die Vervollständigungen der Forderung einzuholen, die nur in Bruchstücken durch seine Gehörgänge vorgedrungen waren. Der verzweifelte Versuch des Stadionsprechers, die menschlich, wunderbare Geste des Platzordners durch überlaute Zwischenrufe zu verhindern, kam leider zu spät. Fackel und Träger waren schon wieder in Bewegung hin zur Haupttribüne. Dort angekommen, legte der betagte Athlet lächelnd die Fackel auf die äußere Tartanbahn, zog sich seelenruhig die blütenweiße Sporthose bis zu den Knien runter und pisste zielgenau die Fackel aus.